Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Lautsprecher auf Class-D oder Röhrenendstufe umschalten


von Jörg (softmonaut)


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Hallo zusammen,

ich möchte einen 16-Ohm Lautsprecher wahlweise entweder hinter einer 
Class-D-Endstufe (100W) ODER einem Röhrenverstärker (max. 120W) 
betreiben. Die jeweils inaktive "Seite" soll auf einen Dummy-Load 
(ebenfalls 16-Ohm) geschaltet werden. Als (Wechsel-)Schalter wollte ich 
- weil ich es nicht besser weiß - ein Relais verwenden.

1. Die Endstufenausgänge sind beim Umschalten für kurze Zeit 
(Relaisumschaltzeit ~ 15ms) offen. Kann das an den jeweiligen Amps 
Schäden verursachen, da die Ausgänge für diese Zeit offen sind?

2. Welche zusätzlichen Schutzmaßnahmen könnte ich einbauen bzw. welche 
grundsätzlich andere Herangehensweise würdet ihr empfehlen, wenn ihr mit 
meinem Relaisansatz nicht einverstanden seid?

Dank und Gruß
Jörg

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Ich wuerde das mehrstufig machen:

1.) Eingangssignale an beide Endstufen muten
2.) zusaetzliche Last von ca. 33..50 Ohm an beide Endstufen
3.) Lautsprecher und 16 Ohm Dummys umschalten schalten
4.) zusaetzliche Last wegnehmen
5.) Eingangssignale wieder unmuten

Gruss
WK

von Michael B. (laberkopp)


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Jörg schrieb:
> Kann das an den jeweiligen Amps Schäden verursachen, da die Ausgänge für
> diese Zeit offen sind?

Rohrenamps mögen keine offenen Ausgänge. Class-D kann eine 
Schutzschaltung haben die anspricht, aber das sollte egal sein.

Das grösste Problem ist aber die Dummheit, zu glauben, Lautsprecher wäre 
Lautsprecher:

"Man sollte Röhrenverstärker immer an den Lautsprechern ihrer Zeit 
betreiben.
Das waren hart aufgehängte Chassis mit hohem Wirkungsgrad. Sie brauchen 
weder
eine elektrische Dämpfung durch den Verstärker wie moderne zur 
Klirrfaktorreduzierung weich aufgehängte noch eine hohe Leistung."

von Lu (oszi45)


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1. Man kennt seine Verstärker und ihre Schwingneigung nicht.
2. Deshalb würde ich vorsorglich jeweils dauerhaft ca. 160 Ohm 
dauerhaft an jeden Verstärkerausgang schalten, bevor umgeschaltet wird. 
Dann ist zumindest eine kleine Last vorhanden.
3. Größere Gedanken würde ich mir wegen der Masseleitungen machen. Durch 
den Schutzleiter könnte eine dauerhafte Verbindung der verschiedenen 
Verstärkerausgänge zu magischen Rauch führen? H-Brücke oder normale 
Endstufe? https://de.wikipedia.org/wiki/Gegentaktendstufe

von Jörg (softmonaut)


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Zunächst mal Dank für die Antworten bis hierhin.

> Rohrenamps mögen keine offenen Ausgänge
Auch nicht, wenn es sich "nur" um 15ms handelt?

> Das grösste Problem ist aber die Dummheit, zu glauben, Lautsprecher wäre 
Lautsprecher
Es handelt sich um einen Celestion Creamback 16 Ohm. Die Class-D ist 
eine extra für den holden Gitarristen ausgelegte Endstufe, die ebenfalls 
bestens mit dem Creamback kann.

> Größere Gedanken würde ich mir wegen der Masseleitungen machen.
Es war angedacht, tatsächlich nur ein Pol der Verstärkerausgänge zu 
schalten. Die beiden anderen sind miteinander und mit dem Lautsprecher 
und Dummy-Load verbunden. Falls diese dauerhafte Verbindung Probleme 
macht, müsste ich halt 2 Wechsler mehr verwenden und die anderen 
Ausgangsleitungen ebenfalls schalten. Meintest du das?

: Bearbeitet durch User
von Lu (oszi45)


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Genau! Schaltung ansehen.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Jörg schrieb:
> Auch nicht, wenn es sich "nur" um 15ms handelt?

Nimm ein kleines Relais in die Hand, bestrome die Spule, fass' 
gleichzeitig an die Spulenanschluesse und ziehe deine Finger einfach 
erst 15ms nachdem du den Spulenstrom unterbrochen hast, weg ;-)

Gruss
WK

von Jens G. (jensig)


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Michael B. schrieb:
> "Man sollte Röhrenverstärker immer an den Lautsprechern ihrer Zeit
> betreiben.
> Das waren hart aufgehängte Chassis mit hohem Wirkungsgrad. Sie brauchen
> weder
> eine elektrische Dämpfung durch den Verstärker wie moderne zur
> Klirrfaktorreduzierung weich aufgehängte noch eine hohe Leistung."

Genau, je nachdem, welchen Klanggeschmack man so hat ...

von Peter D. (peda)


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Jörg schrieb:
> Es war angedacht, tatsächlich nur ein Pol der Verstärkerausgänge zu
> schalten.

Class-D habe in der Regel Gegentaktausgänge, dann geht das schief.

von Jörg (softmonaut)


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Guten Morgen zusammen,

nochmals Dank für die Kommentare bis hierher. Ich versuche mal, die 
bisherigen Erkenntnisse, so wie ich sie verstanden habe, 
zusammenzufassen:

1. Besser beide Pole der Verstärkerausgänge schalten, statt nur einen. 
Somit sind die Endstufen komplett voneinander getrennt (Stichwort 
Gegentaktausgänge).
2. Auch ein Leerlauf mit "nur" 15ms kann der Endstufe eines 
Röhrenverstärkers Schaden zufügen. Die Class-D-Endstufe ist da wohl 
unempfindlicher (Vermutlich wegen Vorhandener Schutzschaltung am 
Ausgang?).
3. Permanent einen geringen Widerstand (genannt wurden die Werte 33, 50 
oder 160 Ohm) an die Verstärkerausgänge legen, damit in jedem Fall eine 
Last anliegt. Alternativ: Lastumschaltung vornehmen, wenn beide 
Endstufen stromlos sind.

Ich hoffe, das fasst es einigermaßen zusammen. Weitere Kommentare sind 
nach wie vor herzlich willkommen.

Dank und Gruß
Jörg

von Benjamin K. (bentschie)


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Dergute W. schrieb:

> Nimm ein kleines Relais in die Hand, bestrome die Spule, fass'
> gleichzeitig an die Spulenanschluesse und ziehe deine Finger einfach
> erst 15ms nachdem du den Spulenstrom unterbrochen hast, weg ;-)

Das verstehe ich jetzt nicht. Was hat die Induktionspannung der 
Relaisspule mit der Umschaltzeit und somit der Zeit in der die Ausgänge 
offen sind zu tun?

Und wieso soll er dazu den Finger dran halten?

Das ist doch eine berechtigte Frage:
Der Verstärker ist wohl nicht leerlauffest. Gibt es da aber eine 
zeitliche Abhängigkeit, also ist der vielleicht doch für Kurzzeit, die 
15ms leerlauffest?

von Daniel V. (danvet)


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: Bearbeitet durch User
von Peter D. (peda)


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Man muß natürlich auch das Eingangssignal auf beide Amps verteilen.
Theoretisch ginge ein Y-Cinch. Praktisch kann es dann aber zu 
Erdschleifen zwischen den beide Power-Amps kommen. Ich würde daher den 
inaktiven Amp komplett vom Netz trennen, also auch noch eine 230V 
Umschaltbox vorsehen.
Optimal wäre natürlich eine Vorverstärkerbox mit 2 Treiberverstärkern 
und 2 galvanisch getrennten Ausgängen.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Benjamin K. schrieb:
> Das verstehe ich jetzt nicht. Was hat die Induktionspannung der
> Relaisspule mit der Umschaltzeit und somit der Zeit in der die Ausgänge
> offen sind zu tun?
Das ist beidesmal der selbe Wirkmechanismus.

> Und wieso soll er dazu den Finger dran halten?
Aus paedagogischen Gruenden ;-)

> Das ist doch eine berechtigte Frage:
> Der Verstärker ist wohl nicht leerlauffest. Gibt es da aber eine
> zeitliche Abhängigkeit, also ist der vielleicht doch für Kurzzeit, die
> 15ms leerlauffest?
Die Frage ist ja beim Roehrenverstaerker: warum mag der es nicht, wenn 
er ploetzlich im Leerlauf arbeitet.
Das kommt halt daher, dass wenn du die Last wegnimmst und du Pech hast, 
da gerade gut Strom (also hochgeskillte Amper) durchgeflossen ist. Weil 
da jetzt aber ein Ausgangsuebertrager da ist, der ordentlich 
Induktivitaet hat, will diese Induktivitaet ums Verrecken den Strom 
weiterfliessen lassen und zwar sofort, nicht erst nach 15msec. Und damit 
das klappt, erhoehen Induktivitaeten weltweit einfach mal die 
Spannung...
Was beim Roehrenverstaerker dazu fuehren kann, dass im Ausgangstrafo, am 
Roehrensockel oder in der Roehre lustige Funken spruehen, was nicht gut 
ist.

Gruss
WK

von Jörg (softmonaut)


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Daniel V. schrieb:
> Hier gibts eine ganze Abhandlung drüber
> 
https://www.acoustic-design-magazin.de/Lautsprecher-selber-bauen/Thema/verstaerker-umschalter/

Danke für den Tipp. Wenn ich die Schaltung richtig verstanden habe, 
könnten die Ampausgänge dort aber auch während des Umschaltens offen 
sein, nämlich dann, wenn S3 aus ist (= keine Impedanzkorrektur). Das 
wird ja nicht erzwungen, kann demnach auch mal in die Hose gehen. Ich 
vermute mal, die dort erwähnte Impedanzkorrrektur übernimmt auch die 
Schutzfunktion des hier vorgeschlagenen "Permanentwiderstands" an den 
Ausgängen.

von Jörg (softmonaut)


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Ich habe eine Anschlussfrage:
Wie verhält es sich, wenn beim Abkoppeln der Last auch gleichzeitig der 
Amp stromlos geschaltet wird?

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Jörg schrieb:
> der Amp stromlos geschaltet wird?

Amp vorher ausschalten nicht gleichzeitig, wenn der aus sein soll.

Dergute W. schrieb:
> 1.) Eingangssignale an beide Endstufen muten

Stell den Ton vor dem Umschalten auf ganz leise oder Null.

von Benjamin K. (bentschie)


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Dergute W. schrieb:
> Weil
> da jetzt aber ein Ausgangsuebertrager da ist, der ordentlich
> Induktivitaet hat, will diese Induktivitaet ums Verrecken den Strom
> weiterfliessen lassen und zwar sofort, nicht erst nach 15msec. Und damit
> das klappt, erhoehen Induktivitaeten weltweit einfach mal die
> Spannung...
> Was beim Roehrenverstaerker dazu fuehren kann, dass im Ausgangstrafo, am
> Roehrensockel oder in der Roehre lustige Funken spruehen, was nicht gut
> ist.

Ah, das mit dem Ausgangsübertrager war mir ebend nicht klar. Ich bin 
nicht alt genug, ich hab mit Bipolaren Verstärkern angefangen. Und denen 
ist das in den allermeisten Fällen völlig wumpe.

p.s.
Eventuell ist es Sinnvoll den Zusammenhang zumindest etwas zu erläutern. 
Ich kann mir gut vorstellen, das der TO das mit dem Übertrager auch 
nicht wusste.

von Jörg (softmonaut)


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Benjamin K. schrieb:
> Eventuell ist es Sinnvoll den Zusammenhang zumindest etwas zu erläutern.
> Ich kann mir gut vorstellen, das der TO das mit dem Übertrager auch
> nicht wusste.

Doch, die allgemeine Leerlauf-Unverträglichkeit bei Gitarren-Röhremamps 
war mir bekannt. Üblicherweise haben die aber auch 
Leerlauf-Schutzschaltungen verbaut. Daher kam bei mir die Frage auf, ob 
die die 15ms Umschalt-Leerlauf nicht doch ohne Probleme überstehen 
können, bevor danach alles in den Dummy-Load abgeleitet werden kann.

von Peter D. (peda)


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Jörg schrieb:
> Daher kam bei mir die Frage auf, ob
> die die 15ms Umschalt-Leerlauf nicht doch ohne Probleme überstehen
> können, bevor danach alles in den Dummy-Load abgeleitet werden kann.

Röhrenschaltungen muß man schon länger mißhandeln, damit bleibende 
Schäden auftreten. Man hat quasi die thermische Trägheit, ehe die 
Isolation verbrennt. Und das Lautstärkepoti muß auch am Anschlag sein.

Einem Transistor reichen dagegen wenige µs zum Secondary Breakdown und 
dann isser hin. Der oft in Heimkomponenten zu findende Schutz über ein 
Relais ist viel zu träge. Ein Kurzschluß am Ausgang zerstört diesen 
Verstärker zuverlässig.
Da ist der interne Schutz in einem Class-D erheblich wirkungsvoller und 
die Filterdrosseln am Ausgang verhindern einen zu schnellen 
Stromanstieg.

: Bearbeitet durch User
von Rainer D. (rainer4x4)


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Peter D. schrieb:
> Röhrenschaltungen muß man schon länger mißhandeln, damit bleibende
> Schäden auftreten.

Korrekt. Wäre es anders, dann wären früher die dicken Endstufen im rauen 
Bühnenbetrieb dauernd kaputt gewesen.

von Jörg (softmonaut)


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> Deshalb würde ich vorsorglich jeweils dauerhaft ca. 160 Ohm dauerhaft an
> jeden Verstärkerausgang schalten, bevor umgeschaltet wird. Dann ist
> zumindest eine kleine Last vorhanden.

Dieser Vorschlag wurde bereits mehrmals angeführt.
Woher kommen die relativ niederohmigen Werte (<=160 Ohm), die hier 
genannt wurden? Best practice oder gibt es dazu was "Theoretisches"?

Wieso sind die vorgeschlagenen so niedrig? Sollten die nicht höher sein 
(z.B. 1k Ohm), damit mehr Leistung durch den Lautsprecher geht?

Wie muss der Widerstand leistungsmäßig dimensioniert werden?

Dank und Gruß
Jörg

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Jörg schrieb:
> Üblicherweise haben die aber auch
> Leerlauf-Schutzschaltungen verbaut.

Nö, haben sie nicht. Die meisten Musikeramps sind so robust gebaut, das 
ihnen Leerlauf einfach nichts ausmacht. Ich würde vorschlagen, das du 
ein zweites/drttes Relais dazu benutzt, den jeweils freilaufenden 
Verstärker auf eine Dummylast zu schalten, vor allem, wenn das zu deinen 
Effektwahlmöglichkeiten gehört und beide Verstärker im Zugriff bleiben 
sollen.

von Jörg (softmonaut)


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> Nö, haben sie nicht. Die meisten Musikeramps sind so robust gebaut...
Ok, dann schwanken hier jetzt die Meinungen zwischen "Leerlauf egal" und 
"Niemals Leelauf" beim RöAmp.

Ich versuch noch ne Frage:

Thema Brummschleife: Hier wurde geraten, 2-polig zu schalten. Gilt das 
auch, wenn immer nur einer der Amps (RÖ, Class-D) eingeschaltet ist und 
der andere stromlos? Kann in diesem Fall 1-polig geschaltet werden?

von Simon R. (Gast)


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Jörg schrieb:
> ich möchte einen 16-Ohm Lautsprecher wahlweise entweder hinter einer
> Class-D-Endstufe (100W) ODER einem Röhrenverstärker (max. 120W)

Viel Spass beim Bezahlen der Stromrechnung für die nutzlos verbratene 
Leistung und die dafür nötige Kühlung

Jörg schrieb:
> Als (Wechsel-)Schalter wollte ich
> - weil ich es nicht besser weiß - ein Relais verwenden.

Viel Spass beim Umschalten, wenn einer von beiden an ist, besonders die 
Class-D mögen das sehr gerne, wenn ihnen ihr Spielzeug weggenommen wird.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Jörg schrieb:
> Gilt das
> auch, wenn immer nur einer der Amps (RÖ, Class-D) eingeschaltet ist und
> der andere stromlos? Kann in diesem Fall 1-polig geschaltet werden?
1. Ja, gilt auch.
2. Beidpolig ist sehr sehr empfehlenswert.

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