Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Bürstenmotoren, active-freewheeling und Entstörung


von Raoul D. (raoul_d219)


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"Klassisch" soll man DC-Bürstenmotoren durch Parallelkondensatoren 
entstören. Zusätzlich sollen auch noch Kondensatoren von jedem 
Motoranschluss zum Motorgehäuse geschaltet werden.

Was sollen diese Kondensatoren bewirken? Wenn die Bürste die gerade noch 
aktive Kollektorlamelle verlässt und die nächste noch nicht erreicht 
hat, entsteht natürlich eine induktive Spannungsspitze, die ggf. zu 
Funkenbildung führen kann.

Dieser starke Spannungsanstieg soll dann durch die Kondensatoren 
verhindert werden.

Soweit die landläufige Meinung.

M.E. kann das ja nur bei recht schmalen Kollektorbürsten passieren. Hat 
man breitere Bürsten, oft sind das die Kohlebürsten, dann kommst es ja 
nicht zu einem vollständigen Kontaktverlust, sondern die breite 
Kohlebürsten erreicht die nä. Lamelle schon bevor die vorherige 
verlassen hat. Da sollte also keine Störung durch Bürstenfeuer 
entstehen.

Nehmen wir nun einen PWM-Steller mit active-freewheeling. Bei diesem ist 
der Motor entweder über die MosFets mit der Batterie verbunden oder er 
wird kurzgeschlossen. In jedem Fall wir also jede induktive 
Spannungsspitze sehr niederohmig kurzgeschlossen.

Da frage ich mich jetzt doch, was die Entstörkondensatoren da noch 
sollen. Sie belasten den PWM-Steller nur zusätzlich.

Fazit: bei Bürstenmotoren mit "breiten" Bürsten und PWM-Steller mit 
active-freewheeling sollte man die klassischen Entstörkondensatoren 
weglassen.

Was habe ich nicht bedacht?

von Michael B. (laberkopp)


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Raoul D. schrieb:
> Was sollen diese Kondensatoren bewirken?

Funkentstorung.

Raoul D. schrieb:
> dann kommst es ja nicht zu einem vollständigen Kontaktverlust,

Keine Funken ? Meine Handbohrmaschine zeigt was anderes.

Raoul D. schrieb:
> Sie belasten den PWM-Steller nur zusätzlich.

Daher kommen nie nur Entstörkondensatoren an den Motor sondern immer 
noch Drosselspulen in die Motorzuleitung. So haut die Kurzschlusswirkung 
der Kondensatoren nicht auf den PWM Transistor.
1
                 +--47uH--+---+---+
2
                 |        |   |   |
3
                 |        | 47nF  |
4
 ----------------+        |   |   |
5
verdrillte Zuleitung    47nF  +--(M)
6
 ----------------+        |   |   |
7
                 |        | 47nF  |
8
                 |        |   |   |
9
                 +--47uH--+---+---+
Wie sehr dein Motor stört und entstört werden muss, sagt dir der EMC 
Test.

von Raoul D. (raoul_d219)


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Michael B. schrieb:
> Keine Funken ? Meine Handbohrmaschine zeigt was anderes.

Die ist wahrscheinlich nicht entstört ;-)

von Raoul D. (raoul_d219)


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Der Funke kann ja nur an einer freien Lamelle des Kollektors entstehen, 
und schlägt zu einer kontaktierten Lamelle über. Den entstehenden 
Spannungsanstieg soll der Kondensator verhindern.

Bei einem PWM-Steller mit active freewheeling ist der Motoranschluss 
allerdings kurzgeschlossen. Die Induktivität stellt allerdings einen 
hochfrequenten Widerstand dar. Der Kurzschluss durch den Steller wird 
also zunichte gemacht.

Daher sollte man für solche Steller auf die Induktivität und auch die 
Parallelkapazität verzichten.

von Wolfgang D. (blitz_f)


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Moin,
bei einer Gleichstrommaschine ohne sog. Wendepole - also damit auch alle 
Kleinmotore - ist die "neutrale Zone" zur Kommutierung vom Ankerstrom
 (= Belastung) abhängig. Grund: die vektorielle Addition des 
Anker-Querfeldes zum Erregerfeld. Dadurch entsteht immer ein 
Spannungssprung an der Ankerwicklung, die gerade die Kohlebürste 
verlässt. Die führt ggf. und häufig zu Funkenbildung, in jedem Fall zu 
EMV-Störungen. Im Übrigen ist bei Kleinmotoren die Breite der 
Kohlebürste häufig deutlich größer als die erträgliche 
kommutierungszone.

von Raoul D. (raoul_d219)


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Es waren tatsächlich nur Kleinmotoren ohne Wendepole gemeint.

Den Spannungsanstieg und ggf. den Abreißfunken können die Kondensatoren 
nicht verhindern. Denn sie sind ja mit der entsprechenden Wicklung nicht 
mehr verbunden. Sie sollen lediglich den Einfluss auf die Speisung 
verhindern, denn durch den (leitenden) Funken wird diese Störspannung ja 
auch dort eingetragen. Ebenso die zusätzlichen Induktivitäten in den 
Zuleitungen.

Wenn die Quelle nun ausreichend niederohmig ist, sollte das doch ebenso 
effektiv sein.

Zusätzlich bilden die Entstörinduktivität und Entstörkapazität ein 
Schwingkreis mit einer Resonanzfrequenz von ein paar 100KHz (bei o.g. 
Dimensionierung). Das könnte m.E. mehr Probleme machen als Nutzen 
bringen.

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