Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Alte Elektronik instandhalten in der Industrie.


von Rudolfo (Gast)


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Hallo,

über diesen Link http://de.wikipedia.org/wiki/KME3
im Beitrag Beitrag "Historie - Geschichte der Halbleiter / Mikrocontroller" ist mir 
wieder einmal vor Augen geführt worden welch alte Technik teilweise 
immer noch im Betrieb ist.
Während die "uralten" Elektromechanischen Komponenten noch nachgebaut 
werden können frage ich mich wie bei Defekten solcher Steuerungen an 
z.B. der beschrieben Baureihe 155 (mitlerweiler selten aber noch nicht 
ganz "tot") reperaturen möglich sind ?
Lagerbstände sind irgendwann verbraucht.
Neuherstellung wird nicht möglich sein wegen verloren gegangenen Wissen 
und Maschienenpark.
Wird dann die ganze defekte Steuerung entfernt und mit modernen 
Bauteilen "einfach.." neu entwickelt ?

Während es heute noch möglich ist historische Technik (Museums 
Eisenbahnen, Oldtimer usw.) wieder aufzuarbeiten und im betriebsfähigen 
(nahezu) Orginalen Zustand zu versetzen, sehe ich für die Technik ab so 
etwa den 1980 Jahren "schwarz" - wahrscheinlich werden unsere Kinder / 
Enkel immer noch Dampfeisenbahnen und Autos aus den sechziger Jahren 
fahren sehen können, aber ob sie eine dann historische 101er oder ein 
heute aktuelles Auto noch mit der Orginalen Technik fahren sehen können 
glaube ich nicht.

mfg

  Rudolfo

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Für das Militär werden sogar alte ICs noch nachgebaut:
http://rocelec.com/
http://landsdale.com/
die haben teilweise die Original-Masken der ursprünglichen Hersteller 
übernommen.

http://www.nteinc.com/ baut pinkompatible Ersatztypen

von John D. (Gast)


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Das ist kein ungewöhnliches Problem. Es kommen bei uns öfters Anfragen 
nach dem Nachbau ausgelaufener ICs an. Solange das Package verfügbar 
ist, sollte es kein Problem sein, die Funktionalität des alten ICs mit 
einem verfügbaren Halbleiterprozess nachzubilden.

von citb (Gast)


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>fahren sehen können, aber ob sie eine dann historische 101er oder ein
>heute aktuelles Auto noch mit der Orginalen Technik fahren sehen können
>glaube ich nicht.

So wird es wohl werden.
Prinzipiell sollte es ja immer moeglich sein, alte Steuergeraete mit 
neuen Bauteilen nachzubauen, aber die Geheimhaltung bei den Herstellern 
wird das wohl verhindern.


citb

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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http://www.mil-embedded.com/articles/id/?4451

der Suchbegriff ist "end-of-life(time)", hier ein Artikel der genannten 
Rocelec

von dinosaurier (Gast)


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Ich habe jahrelang Dinosaurier aus den sechziger Jahren gewartet und 
repariert.
Das ging solange gut, bis die erstklassigen Ersatzteile, die man vor 
langer Zeit eingelagert hatte (z.B. hochselektierte Röhren erster Wahl) 
ausgegangen sind. Danach war eigentlich "Schicht im Schacht" und 
wanderte alles zum Schrott.

Heute ist man längst nicht mehr so blauäugig und hat aus den Fehlern 
gelernt. Eine Lok z.B. soll 40 Jahre im Dienst bleiben. Es gibt eine 
ganze Logistikkette, die genau dafür zuständig ist.
Mittlerweile ist ein Ersatzteilmanagment über die komplette 
Netzungsdauer meist fester Teil der Ausschreibung. Da wird sogar schon 
vor Verkauf der Geräte vertraglich geregelt, wie das Teil in vielen 
Jahren mal verschrottet werden soll.

Am wenigsten mache ich mir übrigens über die alten, digitalen IC der 
ersten Generationen sorgen. Mit FPGA oder ASIC kann man die (meist) 
problemlos nachbauen. Man muss nur den Willen und das Geld bereit sein 
zu investieren.
Das amerikanische Millitär verlangt beispielsweise eine Beschreibung 
jeder Schaltung die sie kauft in VHDL. Da bleibt nichts mehr stehen, nur 
weil ein IC seit 10 Jahren nicht mehr gebaut wird.

von citb (Gast)


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dinosaurier schrieb:
> Das amerikanische Millitär verlangt beispielsweise eine Beschreibung
> jeder Schaltung die sie kauft in VHDL. Da bleibt nichts mehr stehen, nur
> weil ein IC seit 10 Jahren nicht mehr gebaut wird.

Stimmt, aber wenn ich das verlange, bevor ich ein Auto kaufe muss ich 
laufen. (Oder weiter mit meinem 21 Jahre alten fahren)

citb

von dinosaurier (Gast)


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citb schrieb:
> dinosaurier schrieb:
>> Das amerikanische Millitär verlangt beispielsweise eine Beschreibung
>> jeder Schaltung die sie kauft in VHDL. Da bleibt nichts mehr stehen, nur
>> weil ein IC seit 10 Jahren nicht mehr gebaut wird.
>
> Stimmt, aber wenn ich das verlange, bevor ich ein Auto kaufe muss ich
> laufen. (Oder weiter mit meinem 21 Jahre alten fahren)
>
> citb

Ich stelle mir gerade den stolzen Käufer einer S-Klasse mit einem 
Kofferraum voll technischer Dokumentation vom Hof den Händlers fahren 
:-)

Im Ernst: Es gibt tatsächlich Leute, die sich damit beschäftigen. Die 
Oltimer-Markt hat vor ein paar Monaten darüber berichtet. Ich denke, 
fälle wie der berühmte BMW M1, der bei Ausfall des Motorsteuergerätes 
zur Immobilie wird, bleiben die Ausnahme.

von Industrieelektroniker (Gast)


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Ganz einfach: Der zu alte Mist wird erneuert.

Erst neulich eine Elektronik (notdürftig) für einen Kunden repariert, 
weil die ca. 15 Jahre alte Produktionsmaschine stehen geblieben ist und 
der Original-Lieferant nicht mehr existiert und der 
Elektronik-Hersteller nicht mehr liefern kann.

Und nun gibt es einen Termin um die betreffende Elektronik durch 
aktuelle zu ersetzen.

Mein Arbeitgeber hat Umsatz und Gewinn, die Lieferanten auch und der 
Kunde hat danach wieder 15 Jahre Ruhe.

So what?

von oszi40 (Gast)


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>Schaltung die sie kauft in VHDL. Da bleibt nichts mehr stehen

Ob diese Simulaten-Software in 10 Jahren noch unter MS laufen wird?

Konkretes Gegen-Beispiel sind Ferritkernspeicher, die auch ohne Strom 
noch die Daten halten. http://de.wikipedia.org/wiki/Kernspeicher

von dinosaurier (Gast)


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oszi40 schrieb:
>>Schaltung die sie kauft in VHDL. Da bleibt nichts mehr stehen
>
> Ob diese Simulaten-Software in 10 Jahren noch unter MS laufen wird?
>
> Konkretes Gegen-Beispiel sind Ferritkernspeicher, die auch ohne Strom
> noch die Daten halten. http://de.wikipedia.org/wiki/Kernspeicher

Ich habe selbst erlebt, wie man einen ganzen Schrank mit 
Ferritkernspeicher gegen eine kleine Platine getauscht hat.

von oszi40 (Gast)


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> Ferritkernspeicher getauscht
Erlebt habe ich auch manches, aber die Eigenschaften sind nun anders.

von dinosaurier (Gast)


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oszi40 schrieb:
>> Ferritkernspeicher getauscht
> Erlebt habe ich auch manches, aber die Eigenschaften sind nun anders.

Jein...

Man muss sich die Dimensionen vor Augen halten: Dieser Schrank hatte 64 
KILO-BYTE!!!

Wieviel Gigabyte haben moderne Handys?

Und dieser Schrank war schon mechanisch und vom Stromverbrauch nicht 
mehr zeitgemäß. Ich habe darin noch Fehlersuche betreiben dürfen. 
Millionen winzige Kabelchen die die Bausteine verbunden haben. Das ganze 
hatte viele Jahre alltagsbetrieb hinter sich und schon beim scharfen 
ansehen 20 Wackelkontakte. Das war kein Spass für uns Techniker

von dinosaurier (Gast)


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So wie hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wickelverbindung

Nur in groß uns stabil...

von Rudolfo (Gast)


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Hallo,

da hat es ja schnell und viel Resonanz auf meine Frage gegeben.
Echt eine Überraschung für mich das tatsächlich IC's nachgefertigt 
werden, ist aber sicherlich keine Möglichkeit für eine kleine "Klitsche" 
oder gar den Privatanwender.
Und den Sourcecode werden sich die Hersteller vom Militär sicherlich gut 
bezahlen lassen.
Schade das sich die Hersteller von Konsumgeräten (Autos) nicht dazu 
überreden lassen den Sourcecode ihrer Steuergeräte von Modellen die 
schon lange aus der Produktion sind,  herauszugeben. Selbst entwickeln 
ist ja wirklich nicht drin und selbst wenn es bei einfachsten 
Steuergeräten möglich sein sollte (Lampenüberwachung oder ähnliches) 
wäre da noch die Hürde der Zulassungen.
Danke an alle für die kompetenten und sachlichen Antworten so macht das 
µC.net Spaß.

Großes Lob.

mfg

  "Rudolfo"

von MaWin (Gast)


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> Das ist kein ungewöhnliches Problem. Es kommen bei uns öfters Anfragen
> nach dem Nachbau ausgelaufener ICs an. Solange das Package verfügbar
> ist, sollte es kein Problem sein, die Funktionalität des alten ICs mit
> einem verfügbaren Halbleiterprozess nachzubilden.

Di Arbeit kann ja wohl nicht (ausser für euch) lohnen.

Wenn man alte Masken geschenkt bekommt und auf alten Maschinen 
produziert mag das sinnvoll sein, auch noch eine Umsetzung auf neuen 
Maschinen, aber einen ganzen IC neu zu erfinden bloss weil man ein Teil 
reparieren will ?

Wenn's um Ersatz durch einen uC  geht, wenn sich's bei Analogelektronik 
mit http://www.arraydesign.com/ machen lässt, dann vielleicht.

Aber beispielsweise einen defekten maskenprogrammierten ETL9422 
nachbauen bloss damit man einen uC für 9V hat, kann ich mir nicht 
vorstellen.

von oszi40 (Gast)


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Rudolfo schrieb:
> Schade das sich die Hersteller von Konsumgeräten (Autos) nicht dazu
> überreden lassen den Sourcecode ihrer Steuergeräte von Modellen die
> schon lange aus der Produktion sind,  herauszugeben.

Nachbau heißt noch lange nicht, daß es 1:1 funktioniert. Nimm z.B. nur 
simplen 2N3055 und vergleiche die Datenblätter von 80-150W...

Einen guten Nachbau bringt nur der zustande, der die Schaltung begriffen 
oder besser noch entwickelt hat. Nicht alles, was man ersetzen könnte 
hat das gleiche Zeitverhalten od. die selbe Größe.

von Christian B. (casandro)


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Was dem entgegenwirkt ist natürlich auch, dass Elektronik heute 
zuverlässiger ist als früher. Bei Fernsehgeräten sieht man das 
wunderbar. Bis in die 1980ger Jahre gingen besonders Farbfernsehgeräte 
immer wieder kaputt. Das ging in Großbritannien so weit, dass man sich 
dort Fernsehgeräte mietete. Heute gehen die Geräte nur noch selten 
kaputt. Das Gerät meiner Eltern läuft seit 1992 im Dauereinsatz, ohne 
Reparatur, ohne Störung. Und es sieht auch nicht so aus, als ob es in 
nächster Zeit ausfallen wird.

von dinosaurier (Gast)


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Kritisch wird das "Teile ersetzen" vor allem in kritischen Bereichen wie 
der Luftfahrt: Man könnte sehr viele Teile dort problemlos gegen moderne 
Typen tauschen. Nur müsste man dann für den Ersatz eine Zulassung 
beantragen. Das ganze wird dann gerne so teuer, dass man lieber noch 
nach der letzten "Quelle" sucht, bewor man viel Geld in eine 
entsprechende Prüfung steckt.

Ich habe mal gelesen, dass die NASA bei Ebay bestimmte Typen von 
Waschmaschinen und Mikrowellen kauft, da darin gesuchte Uraltprozessoren 
sind, die sie dringend brauchen. Urbaner Mythos oder Wahrheit? 
Vielleicht weiss jemand genaueres

von Wilhelm F. (Gast)


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Auf der FH hatte ich im Fach Bauelemente einen alten Professor, der bis 
zu seinem mittleren Alter aber in der Industrie tätig war.

Er erzählte uns mal eine Geschichte, daß es ein Gerät gab, in dem ein 
Intel 8048 verbaut war. Anfang der 1980-er Jahre wurde dieser Baustein 
wohl mal plötzlich abgekündigt, bzw. war dann auch aus Second Source 
nirgendwo mehr erhältlich. Er reiste tatsächlich mit einem Koffer in die 
USA, um dort noch einen Restbestand zu ergattern, da man ansonsten das 
Gerät einstampfen mußte.

Anfang 1980 gab es ja noch keine IP-Cores und VHDL, und auch ein Layout 
war nicht mit ein paar Mausklicks einfach zu ersetzen.

Nun ja, heute gibt es den 8048 wieder, bzw. immer noch.

VHDL wurde wohl hauptsächlich vom amerikanischen Militär forciert bzw. 
erfunden. Man wollte damit wohl unabhängig von Industrie und 
Bausteinabkündigungen werden.



dinosaurier schrieb:

> Ich habe mal gelesen, dass die NASA bei Ebay bestimmte Typen von
> Waschmaschinen und Mikrowellen kauft, da darin gesuchte Uraltprozessoren
> sind, die sie dringend brauchen. Urbaner Mythos oder Wahrheit?

Da sollte ich mich auch mal schlau machen, habe noch ein älteres 
Bauteillager. ;-) Es gibt auf jeden Fall aber Spezialhändler, die 
Restposten aufkaufen, und bei Bedarf dann ein gutes Geschäft machen.

von Reinhard Kern (Gast)


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Hallo,

es durchaus überraschend, was es alles noch gibt, obwohl die Bauteile 
schon vor 20 jahren und mehr abgekündigt wurden. Ich habe z.B. in meinen 
CNC-Steuerungen bipolare PROMs 512 x 8 verbaut (Bootcode), inzwischen 
habe ich auch eine Adapterschaltung gemacht, die Flash dafür einsetzt, 
aber ganz zufällig habe ich gestern per Google die Verfügbarkeit geprüft 
(ich habe gerade eine Steuerung von 1991 zur Reparatur hier).

Es gibt noch einige zig Lieferanten, die teilweise noch zehntausende 
davon zum Verkauf anbieten, auch einige Spezialversender (Spiele), die 
pro PROM 10 $ verlangen, wäre ja auch egal. Ein Problem ist, dass kein 
heutiger Programmer mehr was von bipolar weiss, aber da habe ich noch 
einen DOS-PC mit professionellem Programmiergerät, das kann noch alles 
aus dem letzten Jahrhundert.

Ich habe in den letzten Jahren manchmal überprüft, ob es für das eine 
oder andere IC noch Ersatz gibt, wenn meine eigenen Vorräte mal 
ausgehen, und ich habe fast alles noch irgendwo gefunden, i.d.R. ab 
Lager.

Gruss Reinhard

von Andreas K. (derandi)


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dinosaurier schrieb:
> Ich habe mal gelesen, dass die NASA bei Ebay bestimmte Typen von
> Waschmaschinen und Mikrowellen kauft, da darin gesuchte Uraltprozessoren
> sind, die sie dringend brauchen. Urbaner Mythos oder Wahrheit?
> Vielleicht weiss jemand genaueres

Klingt für mich nicht schlüssig... Fast alles, was die zusammenbauen 
wird entweder ins All geschossen oder explodiert beim Start, repariert 
wird daher wohl eher selten.
Ausserdem leisten die sich sicher den Luxus und lassen sich ihre 
Bauteile nach Maß anfertigen, beim Space-Shuttle war sicher nicht mal 
der Zigarettenanzünder von der Stange.

von Arno H. (arno_h)


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Egal, ob NASA oder ziviles Flugzeug, alles um dich rum ist vom 
billigsten Anbieter.
So weit ich weiß, wurden mal 8086-Prozessoren gesucht, die Vergangenheit 
wollte der Kunde aber dokumentiert haben. Keine Chance für im 
Bastelkeller abgeschleuderte Brocken.

Arno

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