Ich betreibe einen Netzinverter mit Super-Junction-MOSFETs und Bootstrapanordnung. Nenndaten: P = 2kW Halbleiter: CoolMOS IPW60R041C6 Schaltfrequenz: 100kHz (entspricht 10us) PWM: Bipolar (mit Regelfrequenz 10kHz (Dutycicle wird nur alle 100us verändert)) U_ZWK = 400V U_AC_RMS = 220V C_bt = 1,1 uF R_bt = 1 Ohm In meinem alten Beitrag zur gleichen Schaltung sind wir zum Schluss gekommen, dass der Bootstrapkondensator der rechten Halbbrücke meines Netzinverters bei zu kleinen Dutycyceln nicht genug Zeit hat, um nachgeladen werden zu können: Beitrag "Inverter Ausgangssinus suboptimal" Da mir jetzt zum zweiten Mal der Gatetreiber der rechten Halbbrücke (zur Zeit ein IR2184S) kaputt gegangen ist, obwohl die Aussteuerung des Dutycycles (meiner Meinung nach) gering genug eingestellt war, möchte ich das hier nochmal aufgreifen. (Art des Fehlers: Der rechte IR2184S hat beide Schalter nur noch dauerhaft eingeschaltet. Nach Austausch des Bauteils funktionierte es wieder. Der Widerstand zwischen VB und H0 des kaputten Bauteiles ist laut Messung auf 2kOhm geschrumpft. Bei neuen Bauteilen liegt dieser Widerstand im MegaOhm-Bereich.) Warum habe ich lediglich in der rechten Halbbrücke Probleme? Liegt das an der unsymmetrischen Belastung? (der Mittelzweig der rechten Halbbrücke liegt auf Ground des "AC-Netzes", während der Mittelzweig der linken Halbbrücke auf "U_AC" liegt. Zwischen welchen Werten springen meine Floating-Potentials jeweils (unterschiedliche Grounds beachten)? Bei ohmscher Last dürfte das doch nichts ausmachen und Floating-Potentials liegen auf beiden Seiten zwischen 0 und U_ZWK. Woran könnte es noch liegen? (Layout, 1uH-Spulen in den Mittelzweigen, EMV, falsche Dimensionierung) Was könnte ich noch überprüfen? Bin für alle Hinweise dankbar...
Fränki H. schrieb: > Warum habe ich lediglich in der rechten Halbbrücke Probleme? > Liegt das an der unsymmetrischen Belastung? (der Mittelzweig der rechten > Halbbrücke liegt auf Ground des "AC-Netzes", während der Mittelzweig der > linken Halbbrücke auf "U_AC" liegt. Ist dein AC-Netz an einem Pol geerdet? Dann mach doch einen einfachen Test und erde den anderen Pol. Ich vermute eher, dass es am Layout liegt, vom Schaltplan her sehen die beiden Halbbrücken relativ symmetrisch aus. Wenn Gate-Treiber kaputt gehen, liegt das häufig an negativen Spannungsspitzen am Gate bezogen auf Source oder bei Highside-Treibern mit Bootstrap-Versorgung an negativen Spannungen am High-Side Source gegenüber DC-. Ich könnte mir vorstellen, dass durch deine Drosseln irgendwie solche Spannungs-Spitzen erzeugt werden können; oder auch durch ein ungünstiges Layout. > Zwischen welchen Werten springen meine Floating-Potentials jeweils > (unterschiedliche Grounds beachten)? Das sollte man mit einem Oszi messen können? Hast du das noch nicht gemacht?
Fränki H. schrieb: > zweiten Mal der Gatetreiber der rechten Halbbrücke 1. Evtl. Aufbauproblem oder 2. schwächlicher Stützkondensator? 3. Überhitzung? Was sagt das Infrarotthermometer? Hinweis wäre evtl. der Zeitpunkt des Treibertodes. Bei großer Last oder beim Abschalten oder mittendrin (Hitzetod)?
Wenn ich Deine Oszillogramme in Beitrag "Inverter Ausgangssinus suboptimal" sehe, bleibt nun die Frage, ob Du schon eine Gegenprobe gemacht hast, indem Du die Ansteuerung rechts-links vertauscht hast. Evtl. kommt das Problem ja schon von weiter vorn oder es entstand durch ungünstigen Aufbau (dann wäre der Fehler noch rechts).
Johannes E. schrieb: > Ist schon eine interessante Idee; was für Mosfets werden denn > eingesetzt? IPW60R041C6 Die werden von Infineon mit folgender Aussage beworben: "We aimed at a combination of ultra-low R_ds_on, high ruggedness and fast but well controlled switching speed." Datenblatt: http://www.infineon.com/dgdl/IPW60R041C6_2.1_.pdf?folderId=db3a3043163797a6011637d4bae7003b&fileId=db3a304327b897500127f24dd83c3c09 Peak Reverse Recovery Current (Bei Vr=400V, If=44.4A) Irrm=62A Johannes E. schrieb: > Deshalb würde ich eher gute Mosfets einsetzen und die SiC-Dioden > weglassen. Außerdem wird durch diese Drosseln dein Duty-Cycle zusächlich > noch begrenzt: Ich weiß, zusätzliche Dioden (trotz Bodydioden der MOSFETs) und integrierte SMD-Spulen sind schon eher...unkonventionell. Auch wenn rauskommt, dass es nicht funktioniert, man muss halt alles mal ausprobiert haben und wenigstens versuchen es zum laufen zu bringen. Für Forschungszwecke sollte das genügen. > Wenn der Low-Side Mosfet anschaltet, dauert es noch eine gewisse Zeit, > bis der High-Side Source-Pin auf Minus-Potential ankommt; erst dann > fließt Strom durch die Bootstrap-Diode. Johannes E. schrieb: > Das sollte man mit einem Oszi messen können? Hast du das noch nicht > gemacht? Siehe angehängte Bilder. Das floating potential scheint nicht ganz bis auf U_ZWK zu kommen und bei höheren Leistungen auch nicht mehr unter 15V zu fallen. Das Floating Potential ist zwar mit einem Pull-Down-Widerstand versehen, besitzt aber trotzdem noch 2 0u5-Spulen auf einem Zweig gegen Erde. Gemessen wurde direkt am Source-Pin der Highside-CoolMOS gegen GND. Die COMs der Treiber sind auch an GND angeschlossen. Bei extremen Dutycyceln hat einer der beiden Highsides einen nur halb so großen floating-Potentialunterschied zu überwinden wie der andere. Gate Treiber sind: IR2184S und IXDD414YI Darf ich eure Gedanken dazu hören? Ihr habt da mehr Ahnung als ich. Johannes E. schrieb: > Wenn der Low-Side Mosfet anschaltet, dauert es noch eine gewisse Zeit, > bis der High-Side Source-Pin auf Minus-Potential ankommt; erst dann > fließt Strom durch die Bootstrap-Diode. Meine Gedanken: Der Dutycyle wird ja mit 50Hz immer wieder hoch und runter gefahren. Wenn das Potential vor der Bootstrap-Diode (D3 oder D9) größer als 15 V (Treiberversorgungsspannung) ist, sperrt diese und der Treiber muss sich den Strom zum Umladen der Gatekapazitäten aus dem Bootstrapkondensator holen? Da der Dutycyle wie gesagt über der Zeit variiert, ist alles in Ordnung, solange das Potential vor der Bootstrap-Diode auch mal kleiner 15V wird? Falls das nicht passiert, fehlt der Strom zum Einschalten, aber das wäre ja nicht schlimm, bleibt er halt aus. Könnte da ein Hinweis sein, warum der IR2184S kaputt gegangen ist? Johannes E. schrieb: > Wenn Gate-Treiber kaputt gehen, liegt das häufig an negativen > Spannungsspitzen am Gate bezogen auf Source oder bei Highside-Treibern > mit Bootstrap-Versorgung an negativen Spannungen am High-Side Source > gegenüber DC-. Ich habe mir auch mal die Spannungen über den Bootstrapkondensatoren angeschaut: Etwa konstante 15V. Nur während der Schaltmomente gab es ein paar kleine Spitzen. Aber laut Datenblatt verträgt der Treiber am VS-Eingang VB-25V. Da VB immer 15V höher als VS liegt, dürften am floating Potential negative Spannungen von -10V erlaubt sein. Laut Messung kommt der da nie hin; im Gegenteil. oszi40 schrieb: > 3. Überhitzung? Was sagt das Infrarotthermometer? Hab im Moment keins. Wenn ich wieder eins hab, mache ich eine "defekt"-Zettelchen dran, dann nimmt das bestimmt keiner mehr so schnell weg. > Hinweis wäre evtl. der Zeitpunkt des Treibertodes. Bei großer Last oder > beim Abschalten oder mittendrin (Hitzetod)? U_ZWK war etwa 260V. Die rechte Halbbrücke hatte sich dauerhaft eingeschaltet. Die Quelle hat daraufhin einfach den Strom zu 0A begrenzt, war ziemlich unspektakulär.
Fränki H. schrieb: > IPW60R041C6 > Die werden von Infineon mit folgender Aussage beworben: > "We aimed at a combination of ultra-low R_ds_on, high ruggedness and > fast but well controlled switching speed." Die C6 sind hauptsächlich auf niedrigen R_ds_on und niedrige Herstellungskosten optimiert. Die Body-Diode ist so konstruiert, dass sie bei hartem Schalten nicht kaputt geht, zumindest nicht so schnell. Die Reverse-Recovery-Charge beim IPW60R041C6 beträgt 32 µC, der IPW65R041CFD hat dagegen nur 1,9 µC, das ist nicht mal 1/10 des C6. Das maximale du/dt unterscheidet sich auch, der C6 hat max. 15V/ns, der CDF hat 50 V/ns. > Siehe angehängte Bilder. Die sehen aber nicht schön aus. Das Problem bei der Bootstrap-Versorgung ist ja, dass der Kondensator maximal auf die Spannungsdifferenz zwischen +15V und der Spannung am Source-Pin aufgeladen wird. Bei der Messung mit 50% Duty Cycle geht die Source-Spannung bis ca. 5V runter, das bedeutet, dass der High-Side Treiber nur mit ca. 10V versorgt wird; das ist schon grenzwertig. Wenn der Duty-Cycle sich ändert, bekommst du erst recht ein Problem. Nach meiner Einschätzung solltest du die Highside Treiber mit einer potentialfreien Spannung versorgen, die unabhängig vom Duty-Cycle funktioniert, wenn du die Drosseln so beibehalten möchtest. Oder du machst die Drosseln weg, wenn du die Bootstrap-Versorgung beibehalten möchtest. Beides zusammen funktioniert nicht! Außerdem stimmt da etwas nicht mit deiner Zwischenkreisspannung. Du schreibst, dass diese 100V beträgt; die Spannung kommt aber nur auf < 60V hoch. > Da der Dutycyle wie gesagt über der Zeit > variiert, ist alles in Ordnung, solange das Potential vor der > Bootstrap-Diode auch mal kleiner 15V wird? Das kann man so nicht sagen. Wenn der Bootstrap-Kondensator aufgeladen ist, reicht die Energie für eine bestimmte Anzahl von Schaltvorgängen. Aber sicher nicht für eine ganze Sinus-Halbwelle. Da nicht mal bei 50% der Kondensator auf 15V geladen wird, muss schon eine relativ lange Zeit überbrückt werden. > Falls das nicht passiert, > fehlt der Strom zum Einschalten, aber das wäre ja nicht schlimm, bleibt > er halt aus. Das wiederum hängt von der Stromrichtung, also von der Last ab. Wenn der Strom in die Halbbrücke rein fließt, macht es nichts aus, wenn der High-Side Transistor nicht einschaltet; der Strom fließt trotzdem über die Body-Diode. Bei der anderen Richtung ist das schon ein Problem. > Könnte da ein Hinweis sein, warum der IR2184S kaputt gegangen ist? So direkt sehe ich da noch keinen Hinweis. Fränki H. schrieb: > Aber laut Datenblatt verträgt der Treiber am > VS-Eingang VB-25V. Da VB immer 15V höher als VS liegt, dürften am > floating Potential negative Spannungen von -10V erlaubt sein. Laut > Messung kommt der da nie hin; im Gegenteil. Hast du mal direkt am Gate-Treier gemessen? Es ist durchaus möglich, dass hier die Spannung ganz anders aussieht als am Mosfet.
Johannes E. schrieb: > Außerdem stimmt da etwas nicht mit deiner Zwischenkreisspannung. Du > schreibst, dass diese 100V beträgt; die Spannung kommt aber nur auf < > 60V hoch. Tja wie soll ich es formulieren? Negative Nachricht: Der Messbereich vom Tastkopf war falsch eingestellt. Die Messungen oben sind Käse. Positive Nachricht: Das floating Potential kommt doch auf 0V zurück, wenn Highside sperrt.
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