Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Fräsen im Bohrständer


von Matthias L. (limbachnet)


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In loser Folge taucht immer wieder die Frage auf, ob man nicht auch 
einen Bohrständer als Basis für kleine Fräsarbeiten nutzen kann, die 
Antwort ist üblicherweise ein weitgehend klares Nein.

Das stimmt auch - jedenfalls, wenn man von echtem Fräsen spricht, also 
Abheben von ordentlichen Spänen aus Vollmaterial mit der richtigen 
Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit. Wenn man als Elektronikbastler 
aber nur ein paar Ausschnitte in Alu-Frontplatten haben möchte? Da sind 
die Schnittwerte nicht gar so kritisch, und dafür muss es nicht 
unbedingt eine Fräse sein, die man besser zu zweit anhebt.

Die meisten aktuell als Neuware verkauften Bohrständer sind aber leider 
so aufgebaut, dass sie nicht spielfrei einzustellen sind. Das ist Mist, 
weil VHM-Fräser leicht abbrechen, wenn die Fräse klapprig ist und 
natürlich sieht eine Fräsbahn auch nicht gut aus, wenn die Maschine 
wackelt. Insbesondere Ständer, bei denen die tragende Rund- oder 
Sechsecksäule zugleich die Führung für die Auf- und Ab-Bewegung 
darstellt, sind problematisch, und das sind die meisten. Beim Proxxon 
BFB2000 beispielsweise ist das besser, da wird an der Rundsäule fest 
geklemmt und die Maschine in einer Schwalbenschwanz-Führung auf- und 
abgeführt, das kann man spielfrei einstellen. Aber das Ding nennt sich 
ja auch Bohr- und Fräsbank...

Hin und wieder kann man aber auf Ebay einen ordentlichen älteren 
Bohrständer ergattern oder man findet etwas im Keller - so wie ich. 
Deshalb möchte ich mal zeigen, was damit erreichbar ist, vielleicht kann 
dann auch der eine oder andere hier die Reserven in seinem Bastelkeller 
besser einschätzen.

Animiert durch diesen Thread Beitrag "Wabeco Bohr-/Fräswerk - Hat jemand Frästisch / Kreissäge ?" 
habe ich einen uralten Wolfcraft-Bohrständer aus der Versenkung geholt. 
Der hat eine massive (!) Sechsecksäule SW30 und die Maschine wird in 
einer Schwalbenschwanzführung aus Aluguss bewegt. Die ist zwar nur 
gefräst und nicht geschliffen, lässt sich aber trotzdem ganz gut 
einstellen.

Also habe ich einen KT150 draufgeschraubt, eine 800er Kress als 
Fräsmotor eingesetzt und ein wenig herumprobiert. Die Fotos des 
allerersten Übungsstücks habe ich angehängt, 1,5mm Alublech eloxiert, 
gefräst mit einem VHM-Zweischneider 1/16" aus einem Pollin-Sortiment mit 
ca. 20.000 U/min und Spirituskühlung. Untergelegt war ein 
Sperrholzbrettchen. Das Blech ist nur mit einem Lappen abgeputzt, um die 
Spiritus-Alupulver-Pampe abzubekommen, weitere Nachbearbeitungen gab's 
nicht.

Also, um einen Frontplatten-Ausschnitt ordentlich aussehen zu lassen, 
taugt das, finde ich. Bei der Schrift habe ich erst alle waagerechten 
Bahnen gefräst und dann alle senkrechten, bei einem echten 
Frontplattenauschnitt würde ich natürlich nicht zwischendurch absetzen. 
Aber hier wollte ich ja mit Absicht ein paarmal hin und her kurbeln, um 
die Wiederholgenauigkeit zu testen. Die ist offensichtlich nicht 
perfekt, aber für mich durchaus erträglich.

Und weil es immer heißt, dass man für Kreise entweder einen Kreistisch 
oder eine CNC-Maschine braucht, habe ich noch einen 19mm-Kreis 
ausprobiert, das ist so ein "krummes" Maß, was die üblichen Stufenbohrer 
nicht hergeben. Wenn nicht beim letzten Viertelkreis mein improvisierter 
Absenkmechanismus (eine Schnur zur Fußbetätigung) ein Eigenleben 
entwickelt hätte, dann wäre der Kreis auch ordentlich durchgefräst 
worden. Grr. Aber, he, das war der allererste Versuch! Der Kreis hat 
meinem Messschieber zufolge einen Durchmesser von 19,0mm-19,1mm. Gut 
soweit.

Natürlich kann man so keine Passungen fräsen oder dergleichen, aber 
Kleinkram geht schon - man muss sich eben damit abfinden, dass man mit 
vieeel zu kleiner Vorschubgeschwindigkeit eben keine Späne abnimmt, 
sondern nur Alustaub aus dem Blech kitzelt. Aber solange man den Fräser 
kühl hält, ist dem das ziemlich egal. Die Koordinaten der Kreisbahn muss 
man halt vorher ausrechnen, da ist eine Tabellenkalkulation hilfreich. 
Nach jedem Viertekreis wechselt eine Achse die Richtung, da muss man das 
Umkehrspiel kompensieren. Dazu habe ich die jeweilige Achse geklemmt, 
die Drehrichtung am Handrad gewechselt, den vorherigen Wert am Skalenrad 
wieder eingestellt, die Klemmung gelöst und weitergemacht. Ging. Mit 
Anbaumessschiebern wär's einfacher, aber so gehts auch. Ich muss aber 
zugeben, dass ich etwa eine halbe Stunde gebraucht habe um den Kreis 
einmal abzufahren, das ist schon eine zähe Angelegenheit.

Für die Absenkung muss ich mir noch etwas einfallen lassen...

von heinz (Gast)


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Sieht doch nicht schlecht aus.

Der Grund warum eine Bohrmaschine nicht zum Fräsen geeignet ist sind die 
Spindellager. Die sind bei Bohrmaschinen auf axial Last ausgelegt.
Wenn Du nur kleine radiale Kräfte auf das Lager bringst (kleiner 
Vorschub) ist das natürlich kein Problem.

von MaWin (Gast)


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> Die meisten aktuell als Neuware verkauften Bohrständer sind aber
> leider so aufgebaut, dass sie nicht spielfrei einzustellen sind.

Eben.

Daher nennt man die tauglichen Dinger auch Fräsständer.

BFB2000 oder deinen Wolfcraft, du hast wirklich Glück einen der ganz 
wenigen mit Schwalbenschwanzführung zu besitzen.

> Und weil es immer heißt, dass man für Kreise entweder einen Kreistisch
> oder eine CNC-Maschine braucht, habe ich noch einen 19mm-Kreis
> ausprobiert,

Dein halbstündiger Aufwand ehrt dich, aber realistisch sind runde Löcher 
mit Handkurbel nicht, das ist eine Aufgabe für eine CNC.

von Nicolas S. (Gast)


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heinz schrieb:
> Der Grund warum eine Bohrmaschine nicht zum Fräsen geeignet ist sind die
> Spindellager.

Und deren Axialspiel.
Und die erlaubte Einschaltdauer.
Und das Bohrfutter.

von Nicolas S. (Gast)


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Aber für die Kress trifft das nicht zu. Die ist ja dediziert eine 
Oberfräse.

von spess53 (Gast)


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Hi

>Der Grund warum eine Bohrmaschine nicht zum Fräsen geeignet ist sind die
>Spindellager.

Deswegen hat der TO ja auch einen Fräsmotor benutzt.

MfG Spess

von Matthias L. (limbachnet)


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So isses. Meine Handbohrmaschinen haben alle ein deutliches Axialspiel 
und die Rundlaufgenauigkeit lässt auch zu wünschen übrig. Da mag ich 
keinen HM-Fräser einspannen, wäre schade drum - der überlebt das ohnehin 
nicht. Die einzige Bohrmaschine im Keller mit 43mm-Hals, ordentlichem 
Rundlauf und minimalem Spiel ist eine steinalte blaue Scintilla (Bosch), 
die hat dafür leider ein defektes Getriebe und kann nur noch langsam 
drehen. Bei Frontplatten-Arbeiten empfehlen sich aber eher dünne Fräser, 
und da sind hohe Drehzahlen ohnehin sinnvoll. Also komme ich an einer 
Kress o.ä. ohnehin nicht vorbei.

Sogar meine (Aldi-)Tischbohrmaschine hat Spiel, und zwar radial. Das 
Spindellager ist daran schuldlos, die komplette Pinole klappert in ihrem 
Gleitlager, das offenbar mit einem gewissen Übermaß ins Grauguss-Gehäuse 
gefräst wurde. Dieses Pinolenspiel habe ich mit zwei vorne abgerundeten 
Messingschrauben minimiert, die einfach die Pinole an zwei Stellen 
fester ins Gleitlager drücken. Sieht nicht schön aus, funktioniert aber. 
Jetzt bohrt der Bohrer beim Anbohren an reproduzierbarer Stelle...

von abc.def (Gast)


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ich habe mir mal bei genau so einer Geschichte zwei Fingernägel 
abgefräst. Das war allerdings handgeführt. Es hat nichtmal wehgetan.
Aber Spaß beiseite: Natürlich kann es vorkommen, wenn man ohne Schutz 
den Fräser angreift, daß es Unfälle gibt. Die Oberfräse mit 20000 U 
Leerlaufdrehzahl ist tückisch, es gibt absolut kein Entrinnen mehr. Für 
Holz ist es notwendig, bei Alu ist eine geregelte Drehzahl sicher 
besser, um Anhaltspunkte für die Shnittgeschwindigkeit zu haben. Das 
können die Universalmotoren aus Bohrmaschinen und Oberfräse nicht so 
gut.

von Nicolas S. (Gast)


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abc.def schrieb:
> bei Alu ist eine geregelte Drehzahl sicher
> besser, um Anhaltspunkte für die Shnittgeschwindigkeit zu haben. Das
> können die Universalmotoren aus Bohrmaschinen und Oberfräse nicht so
> gut.

Naja, bei der Kress ist der Universalmotor geregelt, der hält im 
normalen Lastbereich die Drehzahl schon sehr gut (Kann man ja hören).

von Matthias L. (limbachnet)


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MaWin schrieb:
> Dein halbstündiger Aufwand ehrt dich, aber realistisch sind runde Löcher
> mit Handkurbel nicht, das ist eine Aufgabe für eine CNC.

Stimmt schon - aber: isch 'abe gar kaine CNC!

Jedenfalls noch nicht... Bisher hätte ich beispielsweise ein 19mm-Loch 
eben als 18er mit dem Stufenbohrer gebohrt und dann mit der 
Halbrundfeile aufgeweitet - das braucht aber auch seine Zeit, wenn's 
ordentlich aussehen soll, aber es geht natürlich auch. Bei größeren 
Durchmessern kann man nach manuellen Stanzen schauen - aber für nur mal 
ein Loch gleich ein Spezial-Werkzeug kaufen? Schälbohrer sind auch eine 
Möglichkeit, aber der Schälbohrer ist nicht mein Freund, aus irgendeinem 
Grund neigt meiner zum Rattern und Wandern. Man kann natürlich auch 
Schaeffer etwas Arbeit zukommen lassen (ich könnte sogar mit dem Fahrrad 
hinfahren). Aber ich mache gerne das selber, was geht. Wo der Aufwand 
unwirklich wird, lasse ich's natürlich sein - ich wickle 
Folienkondensatoren nicht selbst. Aber das Loch sieht für mich ganz 
erträglich aus, bei sich ergebender Notwendigkeit mache ich das durchaus 
auch wieder.

von W.S. (Gast)


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Ich hatte neulich mal interessehalber bei Hornbach an allen 
ausgestellten Tischbohrmaschinen am Futter gewackelt - o je. Alle, ja 
wirklich alle Maschinen hatten seitliches Spiel, manche mehr als 2 mm. 
Das kam zumeist nicht aus dem Lager, sondern aus der Axialverschiebung, 
die bei allen Maschinen aus rohen oder gar lackierten 
ineinandergesteckten Rohren bestand.

Also, die Auswahl an benutzbaren Bohrmaschinen ist wohl so bescheiden, 
daß man auf Fräsversuche besser verzichten sollte, wenn man nicht so 
unverschämtes Glück wie der TO hat. Sicherlich gibt es auch gute 
Bohrmaschinen, aber nicht im Baumarkt!

W.S.

von Matthias L. (limbachnet)


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Pssst:

http://kleinanzeigen.ebay.de/anzeigen/s-anzeige/wolfcraft-bohrstaender/121800507-84-1960

Wie gesagt, manchmal kann man ein Schnäppchen machen. Ob das Ding noch 
verfügbar ist, weiß ich natürlich nicht.

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