Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik komplexe Wechselstromrechnung mit Oberwellen


von Erik H. (agutanus)


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Ich wollte an dieser Stelle nochmal nachfragen, da ich gerade echt 
unsicher bin:

Ich möchte für eine Schaltung aus Induktivitäten und Kapazitäten den 
komplexen Eingangsstrom berechnen und habe dazu das Ersatzschaltbild in 
Matlab mit einer Formel nachgestellt.
Prinzipiell ist das ganze kein Problem, nur habe ich jetzt statt einer 
Sinus-Eingangsspannung ein Rechtecksignal als Eingangsspannung.

Nach der Fouriertransformation besteht dieses Rechtecksignal aus der 
Grundwelle mit einem Effektivwert von U_1eff = 0.9 * Û_in und den ganzen 
Oberwellen (U_3eff, U_5eff, ...) mit höheren Frequenzen.

Wenn ich die Effektivwerte addiere gilt:
U_in_eff = sqrt( U_1eff^2 + U_3eff^2 + ... )

Nun meine Frage:
Wie kann ich die einzelnen komplexen Eingangsströme zu einem einzigen 
komplexen Wert zusammenführen? (der reale Effektivwert und die 
Phasenverschiebung ist mir wichtig)
(a) Reicht es einfach die komplexen Ströme zu addieren und aus dem 
Ergebnis die Phase abzulesen?
(b) Oder muss ich jeweils die Imaginär- und Realteile getrennt nach der 
obigen Formel addieren und das ganze am Ende wieder zusammenführen?

Von der Leistungsbetrachtung her würde in meinen Augen (b) mehr Sinn 
machen, aber (a) passt schon erstaunlich gut zu meinen Messungen.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Erik H. schrieb:
> der reale Effektivwert und die Phasenverschiebung ist mir wichtig

Den Effektivwert des Gesamtsignals kannst du mit der von dir angegebenen
Formel aus den Effektivwerten der Einzelsignale berechnen.

Bei der Phasenverschiebung des nicht sinusförmigen Signals müsstest du
erst einmal definieren, was du darunter verstehst, denn jedes der
Einzelsignale weist i.Allg. eine andere Phasenverschiebung auf. Du
könntest die Phasenverschiebung bspw. auf die Grundschwingung beziehen,
dann ist auch die Berechnung mit komplexer Wechselstromrechnung einfach.

Erik H. schrieb:
> (a) Reicht es einfach die komplexen Ströme zu addieren und aus dem
> Ergebnis die Phase abzulesen?

Komplexe Spannungen oder Ströme mit unterschiedlichen Frequenzen zu
addieren, liefert keine sinnvollen Ergebnisse.

von Erik H. (agutanus)


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Yalu X. schrieb:
> Komplexe Spannungen oder Ströme mit unterschiedlichen Frequenzen zu
> addieren, liefert keine sinnvollen Ergebnisse.

Stimmt schon, da in der komplexen Zahlenebene nur je eine Frequenz 
vorgesehen ist. Aber wie errechnet man dann den Einfluss von Oberwellen?

Yalu X. schrieb:
> Du könntest die Phasenverschiebung bspw. auf die Grundschwingung beziehen,
> dann ist auch die Berechnung mit komplexer Wechselstromrechnung einfach.

Bei der Simulation geht es gerade darum, die Differenz zwischen der 
Grundschwingungsbetrachtung und dem Verhalten mit Oberwellen 
darzustellen.
In der Tat ist die Definition der Phase ein Problem, da es in bestimmten 
Frequenzbereichen beispielsweise 2 Nulldurchgänge je Halbperiode gibt. 
(siehe 3_Nulldurchgaenge.png)

Im Anhang ein Vergleich von Messungen und der Simulation nach (a). Das 
passt eigentlich schon ganz gut. (siehe Phasenverschiebung.png, 
Effektivwert.png)
(Die Spitzen beim Effektivwert sind in der Messung wesentlich kleiner, 
da in der Simulation Dioden vernachlässigt wurden, welche bei hohen 
Spannungen einen deutlich kleineren äquivalenten Widerstand aufweisen)

Die Simulation nach (b) brachte um den Faktor 5 größere Effektivwerte 
und sinnlose Phasenwerte. Vermutlich hat sich da ein Fehler 
eingeschlichen.

von Sven B. (scummos)


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"Phasenverschiebung" ist i.A. halt nur für eine einzelne Frequenz ein 
sinnvoller Begriff. Wenn sich die Form deiner Welle ändert, so wie hier, 
ist das Wort nicht mehr wirklich wohldefiniert.

Wenn du die Summe mehrerer verschiedener Frequenzen durch ein 
(lineares!) Netzwerk schicken willst, kannst du einfach alle einzeln 
durchschicken und das Ergebnis addieren.

von Erik H. (agutanus)


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Sven B. schrieb:
> Wenn du die Summe mehrerer verschiedener Frequenzen durch ein
> (lineares!) Netzwerk schicken willst, kannst du einfach alle einzeln
> durchschicken und das Ergebnis addieren.

Das war auch mein prinzipielles Vorgehen, ich weiß nur nicht wie ich sie 
addieren soll. Bei Variante (a) stimmt die Leistungsbetrachtung nicht 
und bei (b) entfallen die Imaginärteile.

Erik H. schrieb:
> (a) Reicht es einfach die komplexen Ströme zu addieren und aus dem
> Ergebnis die Phase abzulesen?
> (b) Oder muss ich jeweils die Imaginär- und Realteile getrennt nach der
> obigen Formel addieren und das ganze am Ende wieder zusammenführen?
> U_in_eff = sqrt( U_1eff^2 + U_3eff^2 + ... )

von Sven B. (scummos)


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Du kannst generell nie einfach die komplexen Zahlen, die zu Wellen 
verschiedener Frequenz gehören, addieren. Insofern war mein Beitrag 
etwas unklar, sorry.
Entweder du addierst die samt dem zugehörigen e^(i w_k t)-Faktor, wobei 
w_k für die Frequenz der jeweiligen Welle steht -- dann kriegst du 
wieder eine Wellenform raus, aus der du alles ablesen kannst, was du 
wissen willst.
Oder dich interessiert nur die Leistung, dann kannst du die 
Betragsquadrate der einzelnen Werte addieren und das Ergebnis daraus 
ableiten.

: Bearbeitet durch User
von Erik H. (agutanus)


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Habe mal eine kleine Stichprobe gemacht. Dabei kam heraus, dass für 
meinen Konkreten Fall (Addition eines Stromes mit dreifacher Frequenz, 
1/3 Amplitude und pi/2 Phasenverschiebung) die Abweichungen 
vernachlässigbar sind.

Das ganze ist halt ein wenig Herumgepfusche, aber in diesem Fall geht es 
nicht um Exakte Ergebnisse. Dafür wurden bereits viel zu viele sonstige 
Vernachlässigungen vorgenommen.

Ansonsten hat scummos natürlich Recht: Komplexe Zahlen unterschiedlicher 
Frequenzen können nicht generell addiert werden.

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