Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Leidener Flaschen


von Hans-Peter (Gast)


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Leidener Flaschen besitzen zwischen 10^(-8) bzw. 10^(-9) Farad.
Wird eine Leidener Flasche (z.b 5nF) mit Hochspannung von 100.000V 
geladen ergibt sich mit C=Q/U,
eine Ladungsspeicherung von 5*10^(-4) Coulomb.

Warum ist eine derartig geringe Ladung der Leidener Flasche dennoch sehr 
bis lebensgefährlich.
Betrachtet man den E-Zünder eines Feuerzeuges hat dieser auch durchaus 
Spannungen von 30000V allerdings ist der Stromflusss sehr begrenzt und 
ist nicht gefährlich. Also ist die Gefährlichkeit auch an die Dauer des 
Stromflusses gebunden.

Ein Fehlerstromschutzschalter löst nach 0.02s aus bei max. Stromstärke 
von ca. 77mA 230V/3000Ohm(Körperwiderstand)=77mA, die auf den Körper 
wirkt, bis die Schutzsicherung greift.

Also könnte ich doch auch für die Leidener Flasche folgende 
Vergleichsrechnung anstellen:
Die Zeit bis die Leidener Flasche über den Körper entladen ist dauert 
5*C*R(Von Körperwiderstand)=5*5*10^(-9)F*3000Ohm=0,000075s;

Die Stromstärke ganz zu beginn die den Körper durchläuft ist 
I=100000V/3000Ohm=33A
Nach Tau 5 ist die Spannung 0 d.h auch I ist 0.

Da die Funktion Exponentiell abnimmt ist die Durchschnittsstromstärke 
bis zur vollständigen Entladung weniger als 33A/2=16,5A

Nun soll dieses Ergebnis dem des Fehlerstromschutzschalters 
gegenübergestellt werden:

0.02s mit 77mA ungefährlich;
0,000075s mit unter 16.5A gefährlich?
Warum, da doch
0,000075/0.02s=0.00375;
16,5A*0.00375=61mA;
hochgerechnet würde ich also für 0,02s bei der Leidener Flasche 61mA 
abbekommen. Zeitlich gesehen unter Lebensgefahr.
Warum sind geladene Leidener Flaschen dennoch so gefährlich. kannn 
hierbei wie oben nicht linear gerechnet werden weil das herz einen sehr 
starken Stromimpuls abbekommt?
Warum ist dan der kurze Stromimpuls bei der E-Zündung eines Feuerzeuges 
dann nicht auch so gefährlich?

Vielen Dank im Vorraus für konstruktive Beiträge :)

von MaWin (Gast)


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Personengefährdung beginnt bei 0.00005 Coulomb oder 0.35 Joule.
Deine Leidener Falsche liegt mit 0.0005 Coulomb und 25 Joule deutlich 
drüber.
Trotzdem wird nicht gleich jeder sterben, der dort anfasst. Die 
wahrscheinlichere Personengefährdung tritt ein, weil man unkontrolliert 
durch Muskelzucken um sich schlägt. Das passiert auch bevor der FI 
greift. Er verhindert nicht eine Gefährung (durch von der Leiter 
fallen), sondern nur den Tod.

von Roland L. (Gast)


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Hans-Peter schrieb:
> Nun soll dieses Ergebnis dem des Fehlerstromschutzschalters
> gegenübergestellt werden:
>
> 0.02s mit 77mA ungefährlich;

ein Stromkreis, der mit einem Fehlerstromschutzschalter ausgerüstet ist, 
gilt deshalb noch lange nicht als ungefährlich.

von hans (Gast)


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Woher stammen die zahlen 0,00005C und 0,35j ich dachte relevant für die 
gefährlichkeit ist immer die stromstärke über 60mA

von Peter R. (pnu)


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Die im Kondensator gespeicherte Energie wird mit :  C mal U²mal 1/2 
berechnet und in Ws oder Joule angegeben. Daraus entsteht die Zahl 25 
Joule

Für die Entladung von (Hochspannungs-)Kondensatoren wird als Gefahr 
sowohl die krampfhafte plötzliche Anspannung der Muskulatur mit ihren 
Folgeschäden (Sturz, Muskelriss usw,) angegeben als auch die Gefahr des 
gestörten Herzschlags.
Die Entladung geschieht in µ-Sekunden mit Strom im Bereich hunderter A. 
Maßgebend ist dabei die Energie der Entladung.

Verschiedene Sicherheitsangaben nennen 0,35 J oder 1 J als Grenze, ab 
der durch Entladung von (Hochspannungs-) Kondensatoren Gefahr besteht.


 Die Fehlerstromgeschichte mit RCD als Sicherheitselement beschäftigt 
sich mit einem ganz andren Vorgang: Strom über mehrere Schwingungen der 
Netzwechselspannung. Die dabei genannten 50 mA beziehen sich auf den el. 
Schlag bei Netzfrequenz, nicht auf den durch Hochspannungsimpulse.

: Bearbeitet durch User
von b35 (Gast)


Angehängte Dateien:

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hans schrieb:
> Woher stammen die zahlen...

Der Grenzwert 350mJ findet sich in DIN VDE 0105-100 (Betrieb von el. 
Anlagen), DIN EN 50059 (Elketrostatische Handsprüheinrichtungen) oder 
TRBS 2153 (Vermeiden von Zündgefahren infolge elektrostatischer 
Aufladungen). Letztere gibt es frei zum download.
50uC werden in DIN EN 61140 (Schutz gegen elektrischen Schlag) bzw. auch 
in der TRBS genannt.

hans schrieb:
> relevant für die
> gefährlichkeit

Leider gibt es kein klares gut-schlecht, ja-nein, Tod-nicht Tod. 
Genauswenig wie es nur alte, kranke Menschen, Kinder oder 
durchtrainierte Sportler gibt.

Die Diagramme zeigen mögliche Auswirkungen eines Körperstromflusses, den 
Stand der Erkentnisse für die genannten Stromarten. Sehr viel dazu steht 
in DIN IEC TS 60479 (Wirkung des el. Stromes auf Mensch u. Tier).
Es gibt viele Einflussfaktoren, Stromweg (z. B. Hand- Hand oder 
Hand-Fuß), Frequenzbereich, etc., die zulässige Energie bei 
Weidezaungeräten liegt im Bereich von 4J und mehr... (Hinweis von 
Peter).

In dem dritten Diagramm ist die Kennlinie eines 30mA FI (RCD) mit 
eingezeichnet, das verdeutlicht und erklärt die Aussage von Roland.

Bereich AC-1, DC-1
Normalerweise keine Einwirkungen wahrnehmbar

Bereich AC-2, DC-2
Normalerweise keine schädigende physiologische Wirkung

Bereich AC-3, DC-3
AC3: Blutdrucksteigerung, Muskelverkrampfung und Atemnot ist zu rechnen. 
Reversible Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern, Herzkammerflimmern und 
einzelne Herzstillstände sind zu erwarten.
Erscheinungen mit steigender Stromhöhe und Durchströmungsdauer
zunehmend. Gefahr von Herzkammerflimmern sehr gering.
DC-3: Blutdrucksteigerungen, reversible Herzrhythmusstörungen
und Brandverletzungen sind zu erwarten. Störungen der
Bildung und Weiterleitung der Impulse im Herzen können auftreten. 
Erscheinungen sind mit steigender Stromhöhe und Durchströmungsdauer 
zunehmend. Gefahr von Herzkammerflimmerns ist sehr gering.

Bereich AC -4, DC-4
Physiologischen Wirkungen der Bereiche AC-3 und DC-3 treten verstärkt
auf. Mit steigender Stromstärke und Durchströmungsdauer können 
pathophysiologische Wirkungen eintreten, wie Herzstillstand, 
Atemstillstand und Brandverletzungen.

Gefahr von Herzkammertlimmern ist von Stromhöhe und der 
Durchströmungsdauer abhängig, kann nachfolgend beurteilt werden:
AC-4-1, DC-4-1:
Gefahr von Herzkammertlimmern liegt bei maximal 5%
AC-4-2, DC-4-2:
Gefahr von Herzkammertlimmern liegt unter 50%
AC-4-3, DC-4-3:
Gefahr von Herzkammertlimmern liegt über 50%


Ach ja, im Feuerzeug hat es Isobutan. Die Mindetzündenergie dieses Gases 
beträgt 0.25mJ.

von Peter R. (pnu)


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b35 schrieb:
> Der Grenzwert 350mJ findet sich in DIN VDE 0105-100 (Betrieb von el.
> Anlagen), DIN EN 50059 (Elketrostatische Handsprüheinrichtungen) oder
> TRBS 2153 (Vermeiden von Zündgefahren infolge elektrostatischer
> Aufladungen). Letztere gibt es frei zum download.
> 50uC werden in DIN EN 61140 (Schutz gegen elektrischen Schlag) bzw. auch
> in der TRBS genannt.

Danke für diese Quellenangaben und auch das andre Datenmaterial.

von Pedant (Gast)


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MaWin schrieb:
> Er verhindert nicht eine Gefährung (durch von der Leiter
> fallen), sondern nur den Tod.

Was natürlich falsch ist, das solltest auch Du wissen, MaWin!

Ein RCD (Vulgo FI) kann den Strom der durch den Körper fließt gar nicht 
begrenzen! Ein RCD schaltet nur nach einer bestimmten Zeit ab, der 
Stromfluss kann aber bis zum Abschaltzeitpunkt schon sehr hoch sein. Bei 
großem Stromfluss schaltet ein RCD in der Regel schneller ab, aber unter 
Umständen nicht schnell genug!

D.h. bis ein RCD auslöst kann Dein Herz schon längst mit dem 
Kammerflimmern begonnen haben. Und ab da läuft Deine Zeit ab. Nach 
einigen Sekunden bekommt Dein Hirn zu wenig Sauerstoff. Zuerst gibt's 
Hirnschäden, dann Organversagen, dann Tod. Der Vorgang dauert einige 
(einstellige) Minuten. Wirst Du nicht sofort gefunden und reanimiert, 
nützt der RCD rein überhaupt gar nichts.

Das ist ein extrem weit verbreiteter Irrtum, dass ein RCD den Strom bei 
Berührung irgendwie begrenzen würde. Diese Annahme ist schlichtweg 
falsch!

Ein RCD hat den großen Vorteil, das beginnende Isolationsfehler 
frühzeitig zum abschalten führen, z.B. bei Schutzklasse I. Zusätzlich 
kann ein RCD im Berührungsfall den Stromfluss nach einer gewissen Zeit 
unterbrechen.

Aber ein RCD verhindert keinen tödlichen Stromschlag!

von Udo S. (urschmitt)


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Pedant schrieb:
> Ein RCD (Vulgo FI) kann den Strom der durch den Körper fließt gar nicht
> begrenzen! Ein RCD schaltet nur nach einer bestimmten Zeit ab, der
> Stromfluss kann aber bis zum Abschaltzeitpunkt schon sehr hoch sein.
> ...
> Aber ein RCD verhindert keinen tödlichen Stromschlag!

Was so auch nicht vollständig richtig ist. Die Gefahr des tödlichen 
Stromschlags hängt auch von der Einwirkungsdauer ab. Insofern verhindert 
der RCD nicht zu 100% einen tödlichen Unfall, er vermindet aber das 
Risiko um Größenordnungen, gerade weil bei 50Hz und einem Strom > 10 
(20) mA durch den Muskelkrampf nicht mehr losgelassen werden kann

Siehe z.B.:
http://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/institute/institut-zur-erforschung-elektrischer-unfaelle/monografie-stromunfaelle-herzkammerflimmern-und-letalitaet
Kapitel 2.2.

: Bearbeitet durch User
von 0815 (Gast)


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Pedant, was für ein riesiger Beitrag zu einer Problematik, die (bei 
weitem nicht nur) Mawin sowieso bekannt ist...

von U. B. (Gast)


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Jedenfalls ein nicht unwichtiges Thema. -

Mir fällt auf, dass im Bild

https://www.mikrocontroller.net/attachment/preview/256827/page_snapshots/001.png

1.) bei AC der Frequenzbereich von  15 ... 100 Hz  gleich behandelt 
wird.
Ich habe mal gelesen, dass ausgerechnet bei 50 bzw. 60 Hz die Gefahr für 
Herzkammerflimmern am grössten ist.

2.) In beiden Diagrammen fängt die Einwirkungsdauer bei 10 ms an; bei DC 
ist es bei 2 A definitiv sehr gefährlich.

Annahme:
Ein Hochspannungskondensator habe C=5 nF und sei auf 5 kV aufgeladen, 
also  E=0,063 J  und damit deutlich kleiner als die oben angegebene 
kritische Grenze von 0,35 J.
Der "Mensch" entlade diesen Kondensator, Entladewiderstand sei
R=1000 Ohm.
Ohne Induktivität im Entladekreis wäre die Zeitkonstante RC nur 5 µs, 
der Anfangsstrom aber 5 A ...
Ist das nun aber gefährlich oder 'nur' reichlich unangenehm ?
(Auch wenn's ungefährlich sein sollte, ich probiere es nicht aus ... )

von Michael K. (Gast)


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Ihr habt sicher alle recht, aber ich habe sowohl mit als auch ohne FI 
schon einen gewischt bekommen.
Mit FI ist deutlich weniger unangenehm.

Mit einer genügend großen Kontaktfläche kann ich bei 24VAC schon 
komplett verkrampfen bis zum nicht mehr loslassen können.

Bei Hochspannung gilt das gleiche wie bei Arbeiten in größer Höhe.
Macht man man einen Fehler und hat keine doppelte Sicherung dann war es 
das.
Theoretische Konstrukte über Gefährlichkeit helfen da weit weniger als 
ausreichende Isolationsabstände, Schutztrennung, Gummihandschuhe ein 
aufgeräumter Arbeitsplatz und vor allem das Verständniss für das was ich 
da gerade tue und wo meine Grenzen liegen.

In den Vorschriften muß irgendwas stehen um eine Obergrenze zu 
definieren.
Im Realfall kann ich bei weit weniger drauf gehen oder mich bei weit 
mehr kaum daran stören.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Pedant schrieb:
> Das ist ein extrem weit verbreiteter Irrtum, dass ein RCD den Strom bei
> Berührung irgendwie begrenzen würde.

Du bist der erste und bislang einzige, der in diesem Thread diese These 
aufgestellt hat. Strohmann-Argument nennt man sowas.

Allen anderen ist vollkommen klar, daß der RCD keine begrenzende Wirkung 
hat. Die Schutzwirkung des RCD beruht darauf, daß bei 230V und normalen 
Verhältnissen [1] der Körperstrom klein genug bleibt, daß man in 
Verbindung mit der garantierten Abschaltzeit des RCD im Bereich AC-2 des 
o.g. Diagramms bleibt.

Genau das ist auch der Trugschluß des TE. Ein Hochspannungskondensator 
der sich über den Körper entlädt ist eben nicht das gleiche wie wenn 
man an 230V Netz-Wechselspannung faßt.

[1] also nicht mit naßgeschwitzten Händen an den Leiter fassend mit den 
Füßen in einer Kochsalzlösung auf einer geerdeten Metallplatte stehend.

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