Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Auswahl einer TVS Diode


von TVS (Gast)


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Hallo,

ich habe mal ein paar Fragen zur Auswahl von TVS Dioden (Tranzorb, 
Transil etc.).
Wenn ich die Parameter richtig verstehe, dann ist:

Arbeitsspannung, Nennspannung:
Die Spannung, bei der die Diode garantiert noch sperrt und nur den 
Leckstrom durchlässt.

Durchbruchspannung, Reverse Breakdown Voltage:
Die Spannung, ab der die Diode anfängt, in Sperrrichtung zu leiten, nach 
Datenblatt meist nur 1mA oder 10mA, aber genug für kleine, kurzzeitige 
Spitzen durch elektrostatische Entladungen.

Klemmspannung, Clamping Voltage:
Die Spannung, bei der der maximale zulässige Peak Pulse Current fließt 
oder mit anderen Worten: die Spannung, bei sich entscheidet, wer früher 
aufgibt, die Spannungsquelle oder die Diode.

1. Frage: Ist das so richtig?

2. Frage: Nehmen wir einen AVR bei 5V, dessen Stromversorgung ich 
absichern will. Eine TVS für Arbeitsspannung 5V scheint üblicherweise 
eine Durchbruchspannung von 6V zu haben und dann 1mA zu leiten.
Beispiele: 
https://www.tme.eu/de/Document/b670d1ac36ad99619b59913448c0b97d/PESDXL4UF_G_W.pdf
https://www.tme.eu/de/Document/13791446c7b7ef323909039f98ebc3a1/SM05.pdf
https://www.tme.eu/de/Document/9e8b574d732d7d85c86fcc82dcc8a0c8/SD05C.pdf
Für kleinere Spitzen reicht das ja.
Aber wenn etwas mehr kommt, dann ist es ja wurscht, ob die Diode 2A oder 
25A ab kann bei 9,8V. Der AVR ist dann in jedem Fall hin.
Wie steil ist denn die Kurve nach dem ersten mA? In keinem der 
Datenblätter finde ich dazu etwas. Oder übersehe ich da etwas?
Schaue ich überhaupt nach den falschen Dioden für den Zweck?

3. Frage: Wenn ich eine Datenleitung absichern will, sollte ich eine TVS 
mit geringer Kapazität wählen. Aber wie viel ist gering?
Das hängt doch auch von der Datenrate ab. Oder von der Signalspannung. 
Wie viel ist gering genug bei 19200baud? Oder bei 500kbaud? Bei 3,3V, 
5V, 12V? Wie berechne ich das?

von Anja (Gast)


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TVS schrieb:
> 1. Frage: Ist das so richtig?

Hängt vom Hersteller ab. (ist leider nicht einheitlich). Die einen geben 
die Betriebsspannung die anderen die Durchbruchspannung an.

TVS schrieb:
> 2. Frage:

Du solltest nicht versuchen die geregelte Betriebsspannung abzusichern. 
Die Dioden sind einfach nicht steil genug.
Die TVS gehört immer auf die Eingangsseite des Spannungsreglers.

TVS schrieb:
> 3. Frage:
es gibt auch "low capacity" Dioden das ist eine schnelle 
Gleichrichterdiode in Reihe mit einer Transzorb. Für die Gesamtkapazität 
ist also die Gleichrichterdiode dominierend.

Für den CAN-Bus kann man auch kleine Brückengleichrichter mit Transzorb 
in der Mitte verwenden.
Die Bus-Systeme (Treiberbausteine) sind meistens bezüglich 
Maximalkapazität spezifiziert.
(CAN-Bus max 5 nF: Summe für alle Empfängerbausteine (3-10 pF), 
Verkabelung 33-100 pF/m und Schutzbeschaltungen).

Das ganze hängt also von der maximalen Leitungslänge und der Anzahl der 
Empfänger ab.

Gruß Anja

von Falk B. (falk)


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TVS schrieb:
> Arbeitsspannung, Nennspannung:
> Die Spannung, bei der die Diode garantiert noch sperrt und nur den
> Leckstrom durchlässt.

Ja.

> Durchbruchspannung, Reverse Breakdown Voltage:
> Die Spannung, ab der die Diode anfängt, in Sperrrichtung zu leiten, nach
> Datenblatt meist nur 1mA oder 10mA,

Ja.

> aber genug für kleine, kurzzeitige
> Spitzen durch elektrostatische Entladungen.

Nein. ESD hat DEUTLICH mehr Strom als deine 10mA, da reden wir um 10A++, 
auch wenn die Zeiten sehr kurz sind (<100ns, Anstiegszeiten teilweise 
1ns und weniger!).

> Klemmspannung, Clamping Voltage:
> Die Spannung, bei der der maximale zulässige Peak Pulse Current fließt
> oder mit anderen Worten: die Spannung, bei sich entscheidet, wer früher
> aufgibt, die Spannungsquelle oder die Diode.

Ja.

> 1. Frage: Ist das so richtig?

Fast.

> 2. Frage: Nehmen wir einen AVR bei 5V, dessen Stromversorgung ich
> absichern will.

Kann man so vergessen, braucht man so auch eher nicht. An 
Versorgungsspannungen sind meist bis immer dicke Kondensatoren dran, die 
schlucken sehr viel Ladung, ohne daß die Spannung ansteigt. Dort hat man 
auch seltenst Probleme mit ESD oder Surge.

> Aber wenn etwas mehr kommt, dann ist es ja wurscht, ob die Diode 2A oder
> 25A ab kann bei 9,8V. Der AVR ist dann in jedem Fall hin.

So geht es so oder so nicht. Außerdem ist der AVR bei 10V nicht sofort 
hin, diese Spannung hält der für ???ms aus! Klingt komisch, ist aber so. 
Denn ESD macht auch an GUTEN Schutzbausteinen sehr kurzfristig deutliche 
Überspannungen. Siehe Anhang, Seite 4. Diese Überspannung im ns-Bereich 
müssen die USB-ICs aushalten! Und die meisten tun es.

> Wie steil ist denn die Kurve nach dem ersten mA?

Kommt drauf an. Je höher die Nennspannung, umso steiler.

> In keinem der
> Datenblätter finde ich dazu etwas. Oder übersehe ich da etwas?
> Schaue ich überhaupt nach den falschen Dioden für den Zweck?

Was willst du denn INSGESAMT erreichen? Willst du deine 5V vom AVR 
schützen, wenn dort jemand 230V anschließt?

> 3. Frage: Wenn ich eine Datenleitung absichern will, sollte ich eine TVS
> mit geringer Kapazität wählen. Aber wie viel ist gering?

So gering, daß sie das SIgnal nicht nennenswert verfälscht. Dafür nimmt 
man meist aber KEINE TVS, sondern eher Kombinationen aus Dioden und TVS, 
siehe Anhang. Warum das so ist, steht hier.

Beitrag "Re: Frage zum Schutzbaustein TPD2e009"

> Das hängt doch auch von der Datenrate ab. Oder von der Signalspannung.
> Wie viel ist gering genug bei 19200baud? Oder bei 500kbaud? Bei 3,3V,
> 5V, 12V? Wie berechne ich das?

Ganz grob über einen RC-Tiefpaß. Sprich, der Innenwiderstand deiner 
Signalquelle/Treiber muss die Kapazität der TVS schnell genug umladen.
Pi mal Daumen sollte R*C < t_bit/2 sein.

von TVS (Gast)


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Hallo Anja, hallo Falk,

vielen Dank für die Erläuterungen.
Anja schrieb:
> Die Dioden sind einfach nicht steil genug.
> Die TVS gehört immer auf die Eingangsseite des Spannungsreglers.
Das macht Sinn.


Beim CAN Bus hört sich das ja etwas eng an. Das erklärt, warum es die 
Dinger  auch mit Kapazitäten unter 10pF gibt.

Falk B. schrieb:
> Pi mal Daumen sollte R*C < t_bit/2 sein.

OK, den Innenwiderstand müsste man sich also zuerst ausrechnen oder 
abschätzen. Beiliegende Grafik ist aus dem Datenblatt von einem ADM2483 
(nicht, dass ich den jetzt gerade verwenden will, aber es war das erste 
Datenblatt, wo ich so etwas gefunden habe).
Da komme ich mit ðU/ðI auf einen Innenwiderstand von etwa 40 Ohm.
Mit einer Wald- und Wiesen TVS mit 150-200pF ist R*C*2 also 16ns.
1/16ns = 62500000/s
Hm - habe ich mich da jetzt verrechnet? Immer noch 62,5Mbit?
OK, da kommen noch die anderen Bausteine und die Kabel hinzu.
Nach Anjas Zahlen oben entspräche also so eine TVS Diode 2-6m 
zusätzlicher Leitung.
Mit 19200 oder auch 115kbit und <100m bin ich dann doch immer im grünen 
Bereich, oder?

von Falk B. (falk)


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TVS schrieb:

> Beim CAN Bus hört sich das ja etwas eng an. Das erklärt, warum es die
> Dinger  auch mit Kapazitäten unter 10pF gibt.

Can ist doch noch langsam mit max. 1 Mbit/s. Bei USB-High Speed 
(480Mbit/s), Super Speed (5 Gbit/s) oder HDMI & Co braucht man WIRKLICH 
sehr kapazitätsarme Dioden.

> Da komme ich mit ðU/ðI auf einen Innenwiderstand von etwa 40 Ohm.
> Mit einer Wald- und Wiesen TVS mit 150-200pF ist R*C*2 also 16ns.
> 1/16ns = 62500000/s

Pi mal Daumen stimmt das.

> Mit 19200 oder auch 115kbit und <100m bin ich dann doch immer im grünen
> Bereich, oder?

Ja, da reicht eine einfache TVS-Diode.

von TVS (Gast)


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