Hallo, kürzlich habe ich in einem Forum folgendes gelesen: "Ich habe einen Ringkern mit x Windungen über 270 Grad bewickelt. Um in Richtung des gewünschten Ergebnisses (Tiefpass) zu kommen, muss ich die Windungen so nah wie möglich zusammendrücken. Bedeutet dies, dass ich mehr Windungen brauche? Oder weniger?" Die Antwort dazu lautete: "Beim Zusammendrücken der Wicklung steigt die Induktivität. Dir fehlt Induktivität, also mehr Windungen." Und genau das verstehe ich nicht! Wir kennen die Luftspule (Zylinder), dort ist dieser o.g. Effekt bekannt und lässt sich physikalisch auch mit der entsprechenden Formel erklären. Nur beim Ringkern erklärt sich mir das nicht. Durch den Ringkern wird der magnetische Fluss im Ringkern durch die Anzahl der Windungen beeinflusst, dabei ist es unabhängig, ob ich z.B. 10 Windungen auf 270 Grad aufteile oder auf 180 Grad. Lediglich die Windungskapazität erhöht sich und hat vermutlich Einfluss genommen auf den o.g. Tiefpass. Physikalisch lässt sich ein Zusammenschieben mit einer verbundenen Erhöhung der Induktivität auch nicht erklären. Die Induktivität L einer Toroidspule mit einer Wicklung mit N Windungen und einem rechteckigen Kern der Breite b, dem Innenradius r und dem Außenradius R lässt sich näherungsweise bei dünnem Draht mit der Formel (siehe Anhang) berechnen. Woher soll die angebliche Erhöhung der Induktivität durch Zusammenschieben der Wicklung denn nun kommen? Gruß Hans
Hans schrieb: > Woher soll die angebliche Erhöhung der Induktivität durch > Zusammenschieben der Wicklung denn nun kommen? Wenn tatsächlich nur das Zusammenschieben gemeint ist, ohne mehr Windungen aufzubringen: Durch das Zusammenschieben erhöht sich die Kapazität zwischen den Windungen, damit sinkt die Eigenresonanz aus L und (parasitärem) Parallel-C. Nun wissen wir aber, daß die effektive Induktivität in Richtung der Eigenresonanz ansteigt, bei Eigenresonanz gegen Unendlich geht. Der beobachtete Effekt könnte also eine Folge der höheren Parallelkapazität sein. Ich berechen viele on-chip-Spulen, da sind diese Effekte durch Kapazität zwischen den Windungen sehr ausgeprägt. Die Folge ist eine stark frequenzabhängige effektive Induktivität. Viele Grüße Volker
Nebst dem von Volker genannten Effekt - der eigentlich eher ein parasitärer Effekt ist und mit dem Magnetismus nicht viel zu tun hat - gibt es noch folgendes zu beachten. Anschaulich: wenn du auf deinem Ringkern 10 Windungen hast, dann ist die Induktivität maximal, wenn du irgendwie dafür sorgen kannst, dass alle Feldlinien durch alle 10 Windungen durch müssen. Hast du aber Lücken zwischen den Windungen (weil du 10 Windungen eines dünnen Drahts auf einen grossen Ringkern verteilt hast) dann können einzelne Feldlinien in diesen Lücken heraus lecken. Sogenanntes Streufeld - beim Ringkern theoretisch nicht vorhanden, aber praktisch nicht zu vermeiden. Analogie zum Transformator: dort hast du zwei Wicklungen auf dem selben Kern. Wenn nicht der Gesamte Fluss der einen Wicklung auch durch die andere Wicklung geht, dann geht die Hauptinduktivität in die Knie, die Streuinduktivität steigt, die Kopplung wird schlechter. Auf dem Ringern mit 10 Windungen hast du jetzt halt 10 Wicklungen zu je 1 Windung, die in Serie geschaltet sind und möglichst optimal gekoppelt sein sollen. Deshalb muss der Füllgrad von Wicklungen möglichst gut sein. Theoretisch würde es ja genügen, wenn man "irgendwie" die Windungen aufbringt, da die Theorie ja sagt: der Fluss folgt dem Kern und solange meine Wicklungen auf dem selben Kern sind, "sehen" sie auch alle den selben Fluss. Ist aber eben nicht so. Deine Gleichung für Toroidspulen berücksichtigt solche Effekte nicht (kann sie nicht) und gilt daher nur für perfekte Toroidspulen.
Volker M. schrieb: > Nun wissen wir aber, daß die effektive Induktivität in > Richtung der Eigenresonanz ansteigt, bei Eigenresonanz gegen Unendlich > geht. Das würde ja bedeuten, dass die Induktivität frequenzabhängig ist. Oder meinst du den induktiven Blindwiderstand? Nehmen wir mal eine Anordnung Ringkern + 10 Windungen. Nun hänge ich das mal an einen VNWA und sweepe mal den Frequenzbereich durch, bis dass ich die Parallelresonanz sichtbar mache. Dann soll ich im Bereich der Resonanzfrequenz eine unendliche Induktivität messen können? Im weiteren Sinne ist natürlich die Induktivität frequenzabhängig, da das µr des Ringkernmaterials komplex ist. Hans
Hans schrieb: > Das würde ja bedeuten, dass die Induktivität frequenzabhängig ist. ja, das bedeutet es: die effektive Induktivität (das, was du an den Klemmen der Spule messen kannst) ist frequenzabhängig, und sie steigt unterhalb der Resonanzfrequenz durch die Wicklungskapazität an. (Oberhalb der Resonanzfrequenz dominiert dann das kapazitive Verhalten.) Hans schrieb: > Im weiteren Sinne ist natürlich die Induktivität frequenzabhängig, da > das µr des Ringkernmaterials komplex ist. das kommt noch dazu. Hans schrieb: > Dann soll ich im Bereich der > Resonanzfrequenz eine unendliche Induktivität messen können? Sie wird nicht ganz unendlich. Aber sie steigt stark an (abhängig von der Güte der Parallelresonanz). Im Anhang eine Messung an einer fetten Luftspule (nominell 3H), die dieses Verhalten zeigt. Nicht mit dem VNWA gemessen sondern mit einem LCR-Meter, aber das ändert nichts am Prinzip. Im Zeigerdiagramm kannst du dir die Sache gut veranschaulichen: da Induktivität und Wicklungskapazität parallel wirken, betrachtet man die komplexe Y-Ebene (Leitwerte). Der parasitäre kapazitive Leitwert addiert sich zum induktiven Leitwert und reduziert diesen (weil kapazitiver Blindleitwert und induktiver Blindleitwert 180° gegeneinander stehen). Was als Gesamtleitwert übrig bleibt ist unterhalb der Resonanzfrequenz ein induktiver Blindleitwert mit kleinerem Betrag. Und ein kleinerer induktiver Blindleitwert entspricht einem größeren induktiven Blindwiderstand und damit einem größeren Wert der effektiven Induktivität.
Hallo Hans, in deiner obigen Formel fehlt ein entscheidender Faktor, nämlich die effektive Spulenlänge (oder ist implizit versteckt). Je länger die Länge im Verhältnis zum Wicklungsdurchmsser ist, desto kleiner ist die Induktivität bei gleicher Windungszahl. Bei den üblichen Pulverkernen liegt µr bei nur 10 (Txx-2) oder 8 (Txx-6). Daher ist der Einfluss der Längenänderung immer noch sehr groß. Die Zunahme der Eigenkapazität Ce spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Anbei ein Bild einer Spule auf einem T68-6 Kern. Die Messfrequenz für L lag so bei ca. 700-800kHz (mit AADE-LC-Meter), wobei die Eigenresonanz SRF (für L=1,07µH) bei ca. 183MHz lag (--> Ce~0,7pF). Sie liegt also dermaßen weit unterhalb der SRF, dass Ce keinen Einfluss hat. Selbst wenn sich Ce beim Zusammenschieben der Windungen auf den dreifachen Wert (2,1pF) erhöhen würde, läge die resultierende SRF immer noch bei ca. 76MHz, also auch wesentlich oberhalb der Messfrequenz --> ebenfalls kein messbarer Einfluss von Ce. MfG, Horst
Hallo, zunächst einmal vielen Dank für die aufschlussreichen Erklärungen samt Bilder. Nun hat es mir keine Ruhe gelassen und ich habe die ein oder andere Spule mal aufgebaut. Meine Beobachtungen: Das Zusammenschieben von Windungen auf einem Ringkern bewirkt grundsätzlich keine Erhöhung der Induktivität. Nähert man sich jedoch der Resonanzfrequenz der Spule, dann steigt auch die Induktivität, je näher desto schneller. Das kann man sehr gut an dem Bild von Achim S. erkennen, wobei es sich um eine recht große Spule bei niedrigen Frequenzen handeln muss (vermutlich NF?). Bei meinem Kern (T50-2) hatte ich 10 Windungen aufgebracht und zunächst ca. 500nH gemessen. Dabei waren die Windungen auf fast 360 Grad verteilt. Dann habe ich bei 270 Grad gemessen und bei 180 Grad. Keine Änderung der Induktivität. Nur als ich noch kleiner wurde, stieg die Induktivität. Klar, man kann erkennen, dass man sich auf dem "aufsteigenden Ast" der Induktivität befindet. Und (auch keine Überraschung) je dichter die Wicklungen, desto kleiner die Resonanzfrequenz. Um was geht es mir mit dieser Messung? Mir geht es darum, die pauschale Aussage, dass sich die Induktivität durch pures Zusammenschieben der Windungen erhöht, zu widerlegen. Vielmehr ist es die Nähe zur Resonanzfrequenz, die für die Erhöhung der Induktivität verantwortlich ist. Hans
Hans schrieb: > Um was geht es mir mit dieser Messung? Mir geht es darum, die pauschale > Aussage, dass sich die Induktivität durch pures Zusammenschieben der > Windungen erhöht, zu widerlegen. Vielmehr ist es die Nähe zur > Resonanzfrequenz, die für die Erhöhung der Induktivität verantwortlich > ist. Du kannst natürlich von deiner Aussage überzeugt sein, aber alle meine bisherigen Messungen sagen etwas anderes. Ich beziehe mich auf den T50-2 Kern. Nach dem Al-Wert (auch mit dem Mini-RK Rechner) ergeben 10wdg rechnerisch 500nH. Die Toleranzen sind allerdings recht hoch. Wie hast du denn gemessen? Ich habe eben einen solchen Kern mit 10wdg bewickelt und folgende Werte gemessen (LC-Meter bei ca. 710kHz): 330° - 350nH 180° - 490nH ~80° - 740nH ~50° - 900nH (ganz zusammengeschoben) Was meist du mit Nähe zur Resonanzfrequenz? Die SRF dürfte wohl deutlich über 100MHz liegen. Ce hat bei <1MHz noch keinerlei Einfluss. Der verfälschende Einfluss von Ce der Spule wurde ja oben schon angesprochen und auch von mir hier erwähnt: Beitrag "Re: S: Empfehlung nachbausicheres LC-Meter-Projekt mit Atmega" Ich werde in den nächsten Tagen noch einmal Messungen an einigen HF-Ringkernen durchführen (LC-Meter und SRF mit VNWA), die ich vor Jahren schon einmal gemacht hatte. Natürlich, je höher µr ist (so >1000), desto weniger Einfluss hat die Länge der Spule auf die Induktivität.
Ich habe heute die Spule auf dem T50-2 mit einem 1005pF Styroflex-Kondensator zu einem Schwingkreis erweitert und dessen resultierenden Resonanzfrequenzen im KW-Bereich für 330°- und ca. 65°-Bewicklung gemessen - siehe Bild. Bei 1005pF Kapazität spielt Ce mit höchstens 1pF keine Rolle. Durch die Längenänderung erreicht man hier eine Resonanzverschiebung von fast 2MHz (>30%). Theorien sind immer hilfreich. Allerdings ziehe ich es vor, dass sie auch durch die Praxis bestätigt werden können. Die Induktivität der HF-Ringkerne mit ihren niedrigen µr von 4 bis 35 ist, entgegen der landläufigen Meinung, recht stark von der Verteilung der Windungen (effektive Länge) abhängig. Diese Abhängigkeit wird immer kleiner, je höher µr ist. Ich habe als Beispiel einen Ferritkern FT37-43 (µr=>850) mit 10 wdg bewickelt und ebenfalls bei 330° und 50° Bewicklung gemessen: 330° --> 37,5µH 50° --> 38,2µH. Hier sieht man, dass der Längeneinfluss mit nur noch 2% schon drastisch kleiner ist.
HST schrieb: > Die Induktivität der HF-Ringkerne mit ihren niedrigen µr > von 4 bis 35 ist, entgegen der landläufigen Meinung, > recht stark von der Verteilung der Windungen (effektive > Länge) abhängig. Diese Abhängigkeit wird immer kleiner, > je höher µr ist. ...was ja m.E. auch logisch ist: Wenn der magnetische Widerstand durch das sehr große µr sowieso schon winzig ist, macht auch die Verteilung der Windungen nicht mehr viel aus. Je änlicher die magnetischen Verhältnisse jedoch denen in Luft werden, je niedriger also µr ist, desto stärker geht die Verteilung in die Induktivität ein. Bei einer Zylinderspule in Luft hängt die Induktivität schließlich auch von deren Baulänge ab. Besten Dank für Deine diversen Messungen, auch für die kleine Messreihe im vorigen Beitrag.
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