Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Warum kein Boucherot-Glied bei STM TDA output stage


von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


Lesenswert?

Hallo geschätzte Experten -
Kann mir jemand erklären, was es sich mit der Innovation von STM in der 
Ausgangsstufe diverser TDA-Typen auf sich hat. Ich meine dies hier:
https://www.sparkfun.com/datasheets/Components/General/STA540.pdf
auf Seite 16 wird die Ausgangsstufe erklärt. Leider ist das Englisch 
furchtbar. Ich verstehs nicht, technisch momentan auch nicht. Sie 
jedenfalls behaupten, durch die neuartige Struktur kein Boucherot-Glied 
mehr zu benötigen. ArnoR hat mal erwähnt, diese diene eh nur der 
Stabilisierung eines krippeligen Designs der Endstufe und hätte nichts 
mit dem eigentlichen Lautsprecher zu tun.

Danke für eure Kommentare!!

von MM (Gast)


Lesenswert?

Abdul K. schrieb:
> Innovation

Eher nicht.

Schau auf Leistungsbandbreite, Stromanstiegsgeschwindigkeit und 
Frequenzgang.  Eventuelles Nichterwähnen im Datenblatt hat auch seinen 
Grund. Die sind schon intern totkompensiert damit es nicht schwingt (und 
besch...eiden klingt).

Abdul K. schrieb:
> ArnoR hat mal erwähnt, diese diene eh nur der
> Stabilisierung eines krippeligen Designs der Endstufe und hätte nichts
> mit dem eigentlichen Lautsprecher zu tun.

Ich kenne seine Meinung dazu, teile sie aber nicht. Sein damals oft 
zitiertes Beispiel krankt auch an der Nichterfüllung der Anforderungen 
an einen guten Verstärker.

von Lurchi (Gast)


Lesenswert?

Die Hauptaufgabe des Boucherot-Glieds ist die Stabilierung der Endstufe. 
Mit einer unkritischen Last sollten die meisten Verstärker auch ohne 
dieses noch stabil sein, aber gerade bei hohen Frequenzen verhalten sich 
einiges Verstärker oder ggf. auch nur das Kabel nicht mehr so gutmütig, 
und da kann das Boucherot-Glied dann wirklich nötig sein.

Ob es im Plan von Datenblatt mit drauf ist, hängt auch von der Vorsicht 
der Ersteller ab. Es kann oft auch ohne gut gehen und bei einer dummen 
Last (z.B. 500 m Kabel) braucht es dann ggf. auch ein Verstärker der 
sonst nie schwingt. Eine langsam kompensierte Endstufe kann da eher 
drauf verzichten. Wenn man den TDA... dann mit weniger Gain betreiben 
will braucht man es ggf. doch wieder.

von Elo (Gast)


Lesenswert?

> Schau auf Leistungsbandbreite, Stromanstiegsgeschwindigkeit und
> Frequenzgang.
Kann diese Angaben auch nirgends dort in dem PDF von ihm finden, die 
Erklärung oder besser den Grund dafür hast du ja auch schon wie folgt 
erwähnt
> Eventuelles Nichterwähnen im Datenblatt hat auch seinen Grund.

von Michael B. (laberkopp)


Lesenswert?

Abdul K. schrieb:
> Leider ist das Englisch furchtbar. Ich verstehs nicht, technisch momentan auch 
nicht

Ich halte nicht nur den Schaltplan für übersimplifziert, sondern auch 
die Erklärung für falsch:

"With reference to the circuit shown in Figure 22, the low frequency 
gain Vout/Vin is greater than unity, that is, approximately 1 + R2/R1."

Normal.

"By controlling the amount of this local feedback it is possible to 
force the loop gain (A*β) to less than unity at frequency where the 
phase shift is 180°. "

Muss so sein für Verstärker.

"This means that the output buffer is intrinsically stable and not prone 
to oscillation. "

Unsinnige Schlussfolgerng ohne Begründung.

Selbst wenn man aus dem Schaltplan annimmt, daß die Eingangsstufe den 
(oberen) Endtransistor weiter aufsteuert, wenn die feedback-Spannung 
(noch)kleiner ist als der gewünschte Sollwert, und anderenfalls 
reduziert, gibt genau diese Schaltung das Problem bei 180 Grad 
Phasenverschiebung die Verstärkung weiter anzuheben.

Gerade die Emitterschaltung am Ausgang (statt Emitterfolger) ist bekannt 
für Stabilitätsprobleme weil sie nicht bloss als Stromverstärker (mit 
Spannungsverstärkung minimal unter 1) wirkt sondern eben auch noch 
unlinear spannungsverstärkend.

"The above feature has been achieved even though there is very low 
closed-loop gain of the amplifier."

Na ja, 20dB.

"This contrasts with the classical PNP-NPN stage which makes use of 
external RC networks, namely the Boucherot cells, for reducing the gain 
at high frequencies."

Sicher nicht um den gain zu verringern, so ein kleines RC Netzwerk 
zwingt eine Lautsprecherausgangsstufe nicht in die Knie, sondern um die 
Phase rauszuschieben, auch bei eher induktiven Lasten.

Also aus der Erklärung wird nichts verraten. Aber glaubhaft ist es schon 
daß man bei den Verstärkern ohne Boucherot auskommt, und sie sogar bei 
induktiven Lasten stabil bleiben.

: Bearbeitet durch User
von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


Lesenswert?

Im DB des TDA7360 ist die gleiche Schaltung noch etwas erweitert erklärt 
und verglichen mit der normalen Endstufenschaltung:
http://pdf.datasheetcatalog.com/datasheet/stmicroelectronics/1499.pdf
Seite 13 und 14

Hm Daten: So schlecht sind diese ICs doch gar nicht. Klar, weglassen ist 
blöde. Manchmal kann man aber aus den Diagrammen passend interpretieren.

Zumindest vom Wirkungsgrad her ist diese Endstufenvariante mit echten 
PNPs deutlich besser als die älteren wie z.B. TDA2030, wo es Darlington 
sind und zwar alles NPN. Offensichtlich hat STM den PNP-Prozeß deutlich 
verbessern können, so daß ein Endstufentransistor der Variante PNP 
realisierbar wurde.

Im DB des TDA7360 ist die Endstufe übrigens als V/I-Wandler dargestellt. 
Bild 34

: Bearbeitet durch User
von Lachender Eskimo (Gast)


Lesenswert?

Abdul K. schrieb:
> Zumindest vom Wirkungsgrad her ist diese Endstufenvariante mit echten
> PNPs deutlich besser als die älteren wie z.B. TDA2030, wo es Darlington
> sind und zwar alles NPN.

Keine Kunst, wenn man bis 0,3V Uce(sat)an die obere Rail aussteuern 
kann.

> Offensichtlich hat STM den PNP-Prozeß deutlich
> verbessern können, so daß ein Endstufentransistor der Variante PNP
> realisierbar wurde.

Oder aber den NPN-Prozeß deutlich degenerieren können,
so dass die Endstufentransistoren schon bei 9kHz in den Keller gehen 
(gain <1), wie in den alten Zeiten die Germanium-Leistungstransistoren.
Diese Verstärker damals brauchten auch kein Boucherot...

"However, if the application allows a little
degradation of the spatial image
it is possible to connect a couple of speakers with
only one low-value DC blocking capacitor."

Die Philosophie heisst hier wohl: Bauteile sparen wo geht.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


Lesenswert?

Eskimo, hab ich nicht verstanden. Die Leistungsbandbreite ist jenseits 
20KHz. Vielleicht sagt Großmeister ArnoR dazu was.

von ArnoR (Gast)


Lesenswert?

Abdul K. schrieb:
> Kann mir jemand erklären, was es sich mit der Innovation von STM in der
> Ausgangsstufe diverser TDA-Typen auf sich hat. Ich meine dies hier:
> https://www.sparkfun.com/datasheets/Components/General/STA540.pdf
> auf Seite 16 wird die Ausgangsstufe erklärt. Leider ist das Englisch
> furchtbar. Ich verstehs nicht, technisch momentan auch nicht. Sie
> jedenfalls behaupten, durch die neuartige Struktur kein Boucherot-Glied
> mehr zu benötigen.

Da hat man einfach einen Verstärker gebaut, dessen Frequenzgang nur 
einen Pol bis zur Transitfrequenz hat. Dann ist die Phasenreserve bei 
allen Verstärkungen groß genug das man ohne solche Hilfskonstruktionen 
auskommt:

Beitrag "Re: Endstufe - Funktioniert es auch in der Praxis"

MM schrieb:
> Ich kenne seine Meinung dazu, teile sie aber nicht. Sein damals oft
> zitiertes Beispiel krankt auch an der Nichterfüllung der Anforderungen
> an einen guten Verstärker.

Kannst du das mal erläutern? Ich weiß nicht, was für ein "Beispiel" du 
meinst und welche Anforderungen da nicht erfüllt werden.

von ArnoR (Gast)


Lesenswert?

Michael B. schrieb:
> "This means that the output buffer is intrinsically stable and not prone
> to oscillation. "
>
> Unsinnige Schlussfolgerng ohne Begründung.

Vielleicht ist das die Begründung:

Beitrag "Re: Netzteilschaltung regelt nicht auf 0V"

von Michael B. (laberkopp)


Lesenswert?

Abdul K. schrieb:
> Im DB des TDA7360 ist die gleiche Schaltung noch etwas erweitert erklärt

Figure 34: Amplifier Block Diagram zeigt mehr, ein 2-stufig 
verstärkungsbegrenztes Design, das aber nicht mit dem 
übersimplifizierten zusammenpasst.

Abdul K. schrieb:
> So schlecht sind diese ICs doch gar nicht.

Na ja, 1% Klirr, weniger ist nicht garantiert. Das reicht mit Ach und 
Krach für DIN45500 HiFi. Und halt wie jeder IC-Verstärker (ausser Class 
D) zu wenig Leistung für richtige Musik.

von MM (Gast)


Lesenswert?

ArnoR schrieb:
> Kannst du das mal erläutern? Ich weiß nicht, was für ein "Beispiel" du
> meinst und welche Anforderungen da nicht erfüllt werden.

Du hattest in früheren Diskussionen dazu einen 
TDA-IrgendwasWeilNichtGemerkt angeführt, der ebenfalls einen recht 
miesen Frequenzgang verbunden mit sehr niedriger slew rate hat.

(Also bitte nicht als Kritik an deiner damaligen (verständlichen und 
nachvollziehbaren) Erklärung zu den Hintergründen der Sache an sich 
verstehen, sondern zum aufgeführten IC-Beispiel.)

von ArnoR (Gast)


Lesenswert?

MM schrieb:
> Du hattest in früheren Diskussionen dazu einen
> TDA-IrgendwasWeilNichtGemerkt angeführt...

Ach so.
Ich hatte die TDAs nur deshalb angeführt, weil ich die seit Jahrzehnten 
Erfahrung gemacht habe, dass man mir nicht glaubt, wenn ich so eine 
Behauptung (bezüglich Boucherot-Glied) aufstelle und natürlich auch 
begründe. Meine Hoffnung war, dass das Überzeugen leichter fällt, wenn 
ich die TDA-Datenblätter als Bestätigung angebe. Aber auch das hilft 
offensichtlich nicht.

von hinz (Gast)


Lesenswert?

Michael B. schrieb:

> Abdul K. schrieb:
>> So schlecht sind diese ICs doch gar nicht.
>
> Na ja, 1% Klirr, weniger ist nicht garantiert. Das reicht mit Ach und
> Krach für DIN45500 HiFi. Und halt wie jeder IC-Verstärker (ausser Class
> D) zu wenig Leistung für richtige Musik.

Die sind für automobile Jubelelektronik, da reicht das völlig.

von ArnoR (Gast)


Lesenswert?

ArnoR schrieb:
> Vielleicht ist das die Begründung:
>
> Beitrag "Re: Netzteilschaltung regelt nicht auf 0V"

Ich wollte eigentlich das hier verlinken:

Beitrag "Re: Basisstrom berechnen und Transistor aussuchen."

wusste vorhin aber nicht, wie ich das finden kann.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


Lesenswert?

ArnoR schrieb:
> Abdul K. schrieb:
>> Kann mir jemand erklären, was es sich mit der Innovation von STM in der
>> Ausgangsstufe diverser TDA-Typen auf sich hat. Ich meine dies hier:
>> https://www.sparkfun.com/datasheets/Components/General/STA540.pdf
>> auf Seite 16 wird die Ausgangsstufe erklärt. Leider ist das Englisch
>> furchtbar. Ich verstehs nicht, technisch momentan auch nicht. Sie
>> jedenfalls behaupten, durch die neuartige Struktur kein Boucherot-Glied
>> mehr zu benötigen.
>
> Da hat man einfach einen Verstärker gebaut, dessen Frequenzgang nur
> einen Pol bis zur Transitfrequenz hat. Dann ist die Phasenreserve bei
> allen Verstärkungen groß genug das man ohne solche Hilfskonstruktionen
> auskommt

Also die Bandbreite deutlich überhöht und damit notgedrungen den 
Ruhestrom gleich mit? Und das war möglich aufgrund deutlich schnellerer 
PNP als früher verwendet? Und da das Ding nun schnell ist, wird eben das 
Boucherot-Glied überflüssig. Ist da richtig?
Und das deckt sich dann auch mit der hier intern festgelegten Gain, 
damit der Nutzer auch darüber das Ding nicht mehr instabil bekommen 
kann.
Oder liege ich falsch?

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.